Feuer der Rache
kannst du an ihrem Bett stehen und sie in ihrem Schlaf bewachen."
„Heimlich und unerkannt", stieß Sabine bitter hervor. „Werde ich dann nach dem Blut meines eigenen Kindes lechzen?"
Er antwortete nicht. Sabine befreite sich aus seiner Umarmung und wich zum Fenster zurück.
„Ich will, dass du gehst und dass du dich nie wieder in mein Leben mischst. Ich verbiete dir, noch einmal diese Wohnung zu betreten. Und ich warne dich, Hand an mein Kind zu legen. Ich weiß, wo deine Verstecke sind, und ich werde nicht zögern, deinen nächtlichen Umtrieben ein Ende zu bereiten, wenn du dich nicht an meine Forderungen hältst."
„Willst du mir einen Pflock durch das Herz treiben, meinen Kopf abschlagen und meinen Mund mit Knoblauch füllen?", fragte er, doch in dem amüsierten Ton schwang Schmerz mit.
„Ja, wenn du mir keine andere Wahl lässt!"
Wortlos verschwand er, kam aber nach wenigen Augenblicken zurück und drückte Sabine das große Fleischmesser in die Hand. Die Arme erhoben, die Brust entblößt, stellte er sich vor sie.
„Nun denn, dann reiße mir das Herz aus dem Leib. Es ist besser, zu Asche zu zerfallen, als für immer von dir gewiesen zu werden. Warum zögerst du? Ich werde mich nicht wehren und dich nicht verletzen."
Sabine sah auf das Messer in ihrer Hand. „Verflucht!" Sie schleuderte es in eine Ecke, wo es klappernd zwischen einem Stapel Zeitschriften und ihrem Steuerordner liegen blieb. „Verschwinde endlich. Ich bin müde und möchte schlafen!"
Der Vampir legte die Hand an die Brust und verbeugte sich. Seine Konturen begannen sich aufzulösen, bis nur noch ein rauchiges Gebilde in der Luft hing, das ein Windhauch vom Fenster her verwehte. Träge floss der Nebel über das Fensterbrett nach draußen in die Dunkelheit.
Peter von Borgo lief durch die Nacht. Ihm war danach, sich in einen Wolf zu verwandeln und durchs nasse Gras zu rennen, bis sein Atem keuchend wurde, aber das war unmöglich, solange er sich noch hier in der Stadt befand. Trotz der vorgerückten Nachtstunde waren in Hamburg noch immer viel zu viele Autos und Fußgänger unterwegs. Der Vampir griff sich einen einsamen Nachtschwärmer, biss ihm grob in den Hals und trank einen Schluck Blut. Angewidert zog er die Lippe hoch. Der Mann roch nach altem Schweiß und Erbrochenem. Was aber noch viel schlimmer war: In seinem Blut kreiste jede Menge Alkohol. Peter von Borgo spuckte das Blut auf das Kopfsteinpflaster und schleuderte den Mann gegen eine Hauswand. Seine Beine knickten ein, und er blieb reglos liegen. Vielleicht hatte er sich das Genick gebrochen, vielleicht war es aber auch nur der Blick des Angreifers, der bei jedem Opfer für einen langen Schlaf des Vergessens sorgte.
Zwei junge Frauen kamen ihm kichernd entgegen. Sie bemerkten ihn nicht, bis sich seine Finger um den Hals der Blonden legten. Das Kichern verstummte, und beide starrten ihn aus glasigen Augen an. Er musste seinen Mund nicht erst ihrem Hals nähern. Ihre Ausdünstungen stachen ihm in die Nase und machten klar, dass auch ihr Blut verseucht und für ihn nicht bekömmlich war.
„Gibt es in dieser lausigen Stadt keine nüchternen Menschen?", fauchte er zornig und stieß die Frau gegen ihre Freundin, sodass die beiden im Gebüsch der winzigen, öffentlichen Grünfläche landeten. Ohne sich umzusehen, eilte Peter von Borgo weiter. Die schlafenden Gestalten am Hansaplatz ließ er gleich links liegen. Er wusste, dass sie hier ihren Crackrausch ausschliefen oder dass gar ein Cocktail aus Heroin und Kokain in ihren Adern pulsierte. Den Fehler, sich an einem der Junkies zu vergreifen, hatte er nur einmal gemacht! Was er brauchte, war reines, unverdorbenes Blut und etwas, das seine in Aufruhr gebrachten Gefühle beruhigte. Der Vampir ballte die Fäuste, bis die Knöchel scharf hervortraten. Er durchquerte die Bahnhofshallen. Da, ein Mann in Uniform! Der war sicher nicht von Alkohol verseucht.
„He, was soll das?", protestierte der Bahnbeamte schwach, als der Vampir ihn am Kragen packte. Er bekam jedoch keine Antwort. Peter von Borgo bog ihm brutal den Hals zurück, biss zu und trank in großen Schlucken. Die Lebenskraft schoss durch seine Kehle, wärmte seinen Leib und breitete sich dann bis in die Fingerspitzen und Zehen aus. Welche Wohltat! Ihm war nach einem Blutfest. Er wollte heute töten und sich an den letzten Herzschlägen seiner Opfer berauschen. Nur ganz leise meldete sich die Stimme der Vernunft in seinem Kopf, doch er ignorierte sie. Das Blut des Mannes
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