Feuer der Rache
es kein Halten mehr. Es kam ihr zuerst seltsam vor, dass sie hier mit einer ihr eigentlich fremden Frau saß und dieser ihre tiefsten Ängste anvertraute. Doch sie fühlte sich zu der kleinen, zerbrechlich wirkenden Frau hingezogen und genoss deren Aufmerksamkeit und die Geborgenheit, die das alte Häuschen ausstrahlte. Nur über Peter von Borgo und was er war, sprach sie nicht. So verständnisvoll die alte Dame war, etwas in Sabine warnte sie, dass ein Vampir in ihrer Familienvilla über das Begriffsvermögen von Rosa Mascheck gehen würde.
„Mama, es ist schon dunkel", unterbrach sie Julia plötzlich. „Werden bald die Feuer angezündet? Gehen wir jetzt? Ach bitte, du hast es versprochen!"
Sabine erhob sich, trat zu ihrer Tochter und strich ihr über das Haar. „Ich habe gar nichts versprochen, du Frechdachs, aber wenn wir schon einmal hier sind, können wir einen Blick zum Strand hinunter riskieren. -Rosa, kommen Sie auch mit?"
Frau Mascheck schüttelte den Kopf. „Nein, das ist nichts für mich. Dieser Trubel und Lärm und die vielen betrunkenen jungen Leute. Es ist eine Schande, wie der Strand jedes Jahr am Tag danach aussieht, am Ostersonntag!"
Rosa Mascheck brachte ihre Gäste zum Gartentor. „Also dann, bis bald, Sabine", sagte sie und reichte ihr die knochige Hand. „Seien Sie guten Mutes, Sie werden Ihren Weg finden, auch wenn Sie ihn jetzt noch nicht vor sich sehen."
Sabine fühlte sich seltsam leicht ums Herz, als sie sich mit Julia an der Hand im Menschenstrom am Ufer entlangtreiben ließ. Es war eine klare Nacht, unzählige beleuchtete Schiffe fuhren den Fluss hinauf oder hinunter, und die Flammen der mehrere Meter hohen Scheiterhaufen schlugen in den dunklen Himmel. Julia sagte kein Wort. Sie blieb nur immer wieder stehen und starrte die riesigen Fackeln an.
Sabine hing ihren eigenen Gedanken nach und ließ die Gesprächsfetzen, die sie erfassen konnte, an sich vorbeiziehen. Drei junge Mädchen schlenderten an ihnen vorüber.
„Schrecklich", sagte die eine gerade, „ich hab in der BILD gelesen, die haben den Kleinen tagelang ans Bett gefesselt und ihn in seiner Scheiße liegen lassen."
„Ja, und immer wenn er geschrien hat, haben sie ihn mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen", sagte die zweite.
Schnell ging Sabine weiter. An zu Tode misshandelte Kinder wollte sie heute nicht denken.
„Sexy, sexy, die Kleine dort drüben", wehten die Worte eines jungen Mannes zu ihr herüber.
„Ein Königreich für einen Busch, hinter den wir sie zerren können", lamentierte sein Begleiter. Die anderen drei Männer lachten und hoben ihre Bierdosen. Sie pfiffen, als die Frau in ihrer engen Jeans und dem bauchfreien Top näher kam.
„Besoffene Idioten", zischte sie und wich den nach ihr greifenden Händen aus.
Sabine legte ihren Arm um Julias Schulter und schob sie von der Gruppe weg auf den Weg zurück. Es wurde Zeit, dass sie nach Blankenese zurückkehrten und einen Bus nach Hause nahmen!
Eine zierliche junge Frau überholte sie mit schnellem Schritt. Sie hatte die Schultern hochgezogen, als wäre ihr kalt. Dünnes, dunkelblondes Haar hing ihr ins Gesicht und verdeckte ihre Züge. Sie strebte auf das reetgedeckte Häuschen am Fuß des Baurs Parks zu, neben dem der Weg hinauf auf den Geestrücken führte.
„Was tust du denn hier?", begrüßte sie eine andere Frau, ganz in Schwarz gekleidet, mit langem schwarzem Haar, die rauchend vor der Gartentür gestanden hatte. Sie warf ihre erst zur Hälfte gerauchte Zigarette auf den Weg, lief der Blonden entgegen und legte schützend einen Arm um sie.
„Was soll denn das?", fragte sie. Die Schultern der anderen bebten.
„Nun komm mal herein. Hier draußen herrscht ja wieder der blanke Wahnsinn." Sie zog die kleinere Frau durch das Tor, schob es mit dem Fuß hinter sich zu und führte sie den Weg entlang zum Haus, das man zwischen den Bäumen und wuchernden Sträuchern nur erahnen konnte.
„Mama, ich will aber noch nicht nach Hause, ich bin gar nicht müde", protestierte Julia, als eine halbe Stunde später der Schnellbus am Fuß der Eibgangtreppe hielt. Doch noch während der Bus seinen großen Bogen um den Süllberg schlug, schlief sie ein und war kaum mehr wach zu bekommen, als sie am Bahnhof in die S-Bahn umsteigen mussten.
Private Ermittlungen
Die Tage schlichen dahin. Nachdem ihr Exmann Julia und Leila am Ostermontag wieder abgeholt hatte, fühlte sich Sabine noch einsamer und nutzloser. Immer wieder ertappte sie sich dabei, auf dem
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