Feueraugen III. Das Schloss
Kopf, da falten die Menschen ihre Hände wie zum Gebet.
Die Baldwinschen verfolgen nun eine Andacht.
Der Mann am Altar spricht zwar kein Wort, aber die Knienden bewegen alle ihre Lippen. Ganz leise setzt schließlich Musik ein und eine einzelne Stimme beginnt zu singen.
"Das kenne ich gut!" flüstert Marlène ihrer Nachbarin Dalia zu.
"Was ist es?" erkundigt sich X, der hinter ihnen steht.
"Das 'Te Deum' von Bruckner ... ganz im Original!" Marlène stellt fest, dass die Komposition völlig im unveränderten Zustand belassen worden ist und das beunruhigt sie alle.
"Da, Chef ... da ist es wieder!"
"Was denn, Alexej?"
"Das Zeichen!" erklärt der Schreiber Baldwin. "Ein Oben, ein Unten und ein unklares, verschwommenes Dazwischen."
Auf dem Altar ist es zu sehen: das dreieckige Blechschild mit dem Auge und der Flamme in der Mitte. Es 'steht' tatsächlich - auf einem Eck, die eine Dreiecksseite senkrecht in die Höhe - und kippt doch nicht um. Da beginnt sich das Schild zu drehen, die Rotation wird immer schneller und schließlich sieht es aus wie ein Kreisel ... oder wie eine sich unvorstellbar rasch drehende, auf den Kopf gestellte Raute. Zeramov erinnert sich an den Meilenstein mit der Zahl '0'!
"Verwunderlich, dass man das Auge noch immer erkennen kann!" sagt X.
"Ja! Irgendetwas ist da, was wir vielleicht nie ganz verstehen werden. Aber ich war in meinen Ausführungen nah am Kern der Sache!" Zeramov überlegt angestrengt. Aber ein Zusammenhang zwischen diesem Zeichen auf dem Altar und Schloss Rachass fällt ihm nicht auf.
"Es ist Bruckner ... unverändert ... aber blockiert!" erklärt Marlène gerade. "Wie?" X hat nicht zugehört.
"Sie singen das Original ... aber bleiben doch an einer Zeile des Texts hängen."
'Salvum fac populum tuum, Domine!' 2) Übersetzung siehe Anhang
"Bruckner, sagen sie?" erkundigt sich der Signore.
"Ja!"
"Erstaunlich! - Erst jemand, der irgendwen sucht, dann geistliche Musik!"
Diese Feststellung des Signore beschäftigt die anderen.
Plötzlich braust ein schrilles Orchesterfortissimo auf und im nächsten Moment wandelt sich diese friedliche Szene. Die Andächtigen sind mit einem Mal verschwunden - und mit ihnen der Mann im weißen Umhang. Die Gräser welken in Sekundenschnelle und werden aschgrau - die Blüten schwarz ... wie verbrannt! Am Himmel entstehen wie aus dem Nichts gewaltige, dunkle Gewitterwolken und aus dem Boden steigt dichter Nebel auf.
"Weg hier ... weg! Monsieur Baldwin, ich flehe sie an ... weg von hier. Ich habe Angst!" wimmert Michel.
Baldwin kommt zu keiner Antwort. Der Nebel verdichtet sich so rasend schnell, dass es erschreckend ist. Zugleich bricht Dunkelheit über sie herein. Eine einzige, nicht genau bestimmbare Lichtquelle bleibt und diese reicht aus, einen fahlen Schein auf den Altar zu werfen, auf dem die rotierende Raute rot leuchtend flackert.
"Das ist unfassbar!" schreit der Krämer auf. "Warum ist das denn nicht verschwunden?"
"Ich glaube nicht, dass wir dieser Tatsache Bedeutung beimessen sollten. Hier erscheint mir alles reichlich nebensächlich. Überhaupt: Warum haben wir das Schloss noch nicht gesehen? Wo ist es?" X wird unruhig.
"Ja, warum?" fragt auch Marlène.
In diesem Augenblick schreit Emma laut auf und deutet hoch über sich.
"Da ... das Schloss!"
Ein furchtbarer Blitz schlägt ganz dicht bei ihnen ein und bevor man sich um die Entdeckung ihres Zieles kümmern kann, beginnt sich die ganze Landschaft zu wandeln. Die Erde bricht auf, Dämpfe entsteigen dem Erdinneren und die Nebel färben sich erst rot, dann grün und endlich gelb.
"Los! Mir nach!" schreit Rodolphe. Widerspruchslos folgen sie ihm.
Es ist eine sinnlose Flucht ins Leere. Die Erde spielt verrückt, und während rings um sie alles absinkt und an anderer Stelle plötzlich Berge aus der Tiefe herausschießen, rennen sie auf schwankendem Boden ziellos davon.
-3- Rast
"Liebe Freunde, wo sind wir da nur hineingeraten?"
"Fragen sie nicht, Baldwin ... fragen sie nicht!" der Signore bedeckt sein Gesicht mit den Handflächen. "Ich möchte abschalten, einfach nur abschalten! Verstehen sie ...?" Ein verzweifelter Seufzer folgt.
Sie haben sich dazu entschlossen, eine Rast einzulegen.
Die Hoffnung, jemals nach Rachass zu kommen scheint aufgegeben - ebenso schwindet die Überzeugung mehr und mehr, dass dieses Abenteuer gut ausgehen wird. Verzweiflung macht sich breit - gefolgt von Resignation.
Alle sind ermattet - sogar Rodolphe, der nach einem
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