Feueraugen III. Das Schloss
Wutanfall in sich zusammengesunken ist. Jetzt sitzt er auf einem Erdhügel und starrt vor sich hin. Seinen Helm hat er neben sich ins fahle Gras gelegt.
"Wir müssen uns verirrt haben!" murmelt Emma einige Zeit später.
"Weil sie vorhin irgendetwas gesehen haben?" Ricci schüttelt den Kopf. "Das kann viel gewesen sein!"
"Es war das Schloss!" beharrt Emma. "Es war ... vielleicht war's nicht Rachass - aber ich hab' auf jeden Fall ein Schloss g'seh'n ... eine Burg ... hoch droben in den Felsen!"
"Rachass gibt's nicht!" erklärt Ricci. "Das Gedicht hätte uns ..."
"Sie mit dem Gedicht!" faucht ihn Zeramov an. "Das haben wir wahrscheinlich nicht richtig verstanden. Übersetzungsfehler können ebenfalls entscheidend gewesen sein ... und vor allem eines: Drei Verse können wir nicht als ein Gedicht gelten lassen. Wenn es ein Gedicht von vielleicht zwanzig solchen Versen gibt, dann können unsere drei noch so brillant übersetzt sein. Sie würden gar nichts nützen. Wir haben uns zwar auf einige Hinweise aus diesen Versen gestützt, aber das zählt doch jetzt nicht mehr! Hier sind wir und es interessiert eigentlich nicht, wie wir hierher gekommen sind."
"Irgendwie haben sie recht!" gibt X zu. "Wir haben uns auf die Verse gestützt ... aus welchem Grund immer. Jetzt müssen wir zusehen, wie wir weiterkommen."
Eine Pause tritt ein, während der niemand spricht.
Marlene und Michel lehnen aneinander und haben die Augen geschlossen. Vielleicht träumen sie von ihrem geliebten Paris, von vergangenen, harmonischen Tagen ihrer immer wieder aufgefrischten Zuneigung, von aufregenden Stunden haltloser Lust ... oder vielleicht auch nur von einem heißen Mokka auf der Terrasse des 'Fouquet's' oder eines der anderen häufig frequentierten Lokale im Stadtzentrum.
Die Übrigen sitzen da, stumm und in leere Gedanken verloren.
Erst einige Zeit später kommt langsam ein zaghaftes Gespräch in Gang.
X ist es, der ihnen vorschlägt, das bisher Erlebte noch einmal zusammenzufassen. "Vielleicht haben wir irgendeine Kleinigkeit übersehen."
"Das ist gut möglich, mein lieber X." Baldwin nickt ihm zu.
"Versuchen wir's? Ein allgemeines Resümee?"
Zumindest sagt es keiner, wenn ihm eine solche Zusammenfassung jetzt unpassend oder sinnlos erscheint. X macht daher den Anfang und überfliegt die Geschehnisse beim Dorf und auf der Nebelebene in prägnanter Kürze. Er umschreibt ihren unerklärlichen Übertritt in die Welt Cultivasions und Destrusions und wird auch nicht unterbrochen, als er ihre Suche in jenem zerklüfteten Gebirge anführt, durch das sie letztlich hierher gekommen sind.
"Und was haben wir dabei herausgefunden?" meldet sich Michel zu Wort, nachdem X geendet hat. "Wir sind mit zahllosen unverständlichen Sachen konfrontiert worden, haben nicht nachvollziehen können, was uns immer weiter treibt und sind doch bis hierher gekommen. Ist es nicht ganz einfach so, dass wir uns schon immer jeden Hinweis, der uns weiter bringen sollte, eingebildet haben?"
X sieht den Franzosen eindringlich an. Dieser Mann hat noch vor wenigen Stunden 'Gehen wir fort von diesem Ort, Monsieur Baldwin' gewinselt! Unfassbar, wie ruhig er nun die Probleme erörtert.
"Auf der Ebene sind wir zusammengesessen und haben uns darüber gefreut, wie 'to caulk' als 'kalfatern' erkannt wurde. Mit einem rätselhaften Vers, Informationen über ein paar längst vergessene Sagen und ein paar vagen Hinweisen ausgerüstet sind wir losgezogen, Rodolphe zu suchen - Rodolphe und Schloss Rachass. Wie wenig haben wir genaugenommen in der Hand gehabt!"
"Stimmt, Michele! Wir haben unsere Erfahrungen auf dem Weg gemacht ... am Anfang wussten wir fast gar nichts." sagt der Signore.
"Und genau diese Erfahrungen haben uns vorangetrieben." Michel erhebt sich jetzt. "Zeramov hat irgendwann von dieser Dreifaltigkeit oder Dreieinigkeit gesprochen. Ich ..."
"Ich hab' immer viel zu viel geredet!" Zeramov wirkt nicht wie sonst. Er kauert neben Cassius auf einem flachen Felsen und kaut - wie dieser- hingebungsvoll Kaugummi.
"Ich verstehe Cultivasion als eine Art Ideal und Destrusion als die Übersteigerung unserer westlichen Welt." fährt Michel fort. "König Maximum als der gütige Staatsmann, der von einem tüchtigen und moralisch starken Volk geliebt wird - Kanzler Proz als der verhasste Tyrann, dem alle politischen Gegner nur schaden wollen ... vom eigenen Volk gehasst, von seinen eigenen Soldaten im entscheidenden Augenblick im Stich gelassen."
Michel ist anzumerken, dass er
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