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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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meinen Brüsten. Er wußte, daß ich niemals einen Büstenhalter trug.
    »Inzwischen werde ich mich einsam fühlen.«
    »Nein. Nicht im Louvre.«
    Er lachte jetzt wieder, ungezwungen und herzlich. Er hatte gespürt, daß ich ihn begehrte.
    »Himmel, Ariana! Im Grunde ist es mir ja lieb, daß du so bist, so rätselhaft!«
    Ich streichelte seine Wange.
    »Verlier nicht den Hausschlüssel!«
    Ich nahm meine Tasche, warf meinen Trenchcoat über den Arm und lief zu Fuß die vier Stockwerke hinunter. Einen Aufzug gab es nicht.
    In Italien war das Märzwetter schon hochsommerlich. In der Ebene rund um den Flughafen staute sich die Hitze. Ich lehnte mich im Taxi zurück, blickte zerstreut auf die bunten Werbetafeln entlang der Straße. Bald kamen die großen braunen Mietshäuser in Sicht, hohe Kästen mit Reihen von winzigen Baikonen und flatternden Wäscheleinen. Im Zentrum staute sich der Verkehr. Der Dom zog vorbei, eine Stickerei aus grauem Kathedralenstein. Mir war, als ob sich die Türme mit den Wolken bewegten, die der Südwind über die Stadt jagte. Fotografierende Touristen drängten sich auf den Platz, die meisten schlecht gekleidet, was die lässige Eleganz der Mailänder noch deutlicher hervorhob. Durch die offenen Fenster des Taxis dröhnte, zwischen Stimmengewirr und Hupen, das Schwirren der aufflatternden Taubenschwärme. Der Sockel des Denkmals, auf dem König Vittorio Emmanuele II zu Pferd saß, war mit Taubenkot und Graffiti beschmutzt. Die Wagen standen Stoßstange an Stoßstange, eine ganze Zeit, bevor das Taxi durch ein ruhiges Wohnviertel fuhr. Bäume warfen lange Schatten auf den Asphalt, der ockerfarbene Putz der Häuser brach ab, und hinter halbgeschlossenen Fensterläden fiel der Blick in dämmrige Räume mit wuchtigen Möbeln. Dann wieder ein modernes Stadtviertel, wieder Staub, Abgase, Gedränge auf den Fußgängerstreifen.
    Die Sonne stand tief und funkelte.
    Mein Vater pflegte mich in einem Hotel an der Via Condottiere, unweit seines Büros, unterzubringen. Ich wohnte nur selten bei ihm. Vor ein paar Jahren hatte eine seiner stets wechselnden Lebensgefährtinnen nicht glauben wollen, daß ich seine Tochter war, und eine Szene gemacht, an die wir uns noch heute mit Vergnügen erinnern.
    Ich sah auf die Uhr; wir hatten uns um sechs verabredet. Mir blieb eine halbe Stunde, um mich frischzumachen. Das Hotel war alt und würdig, mit einem Drahtkäfigfahrstuhl, vor dem sich eine englische Reisegruppe drängte. Mein Zimmer in der vierten Etage war klein, die Möbel aus edlem Holz schon verkratzt. Im Bad roch es stark nach Putzmittel. Eine Klimaanlage war nicht vorhanden; ich öffnete das Fenster; Staubteilchen tanzten im roten Sonnenlicht.
    Ich wusch mir Gesicht und Hände und zog mich um. Mein Vater mochte gut angezogene Frauen. Die graue Hose war perfekt geschnitten, das weiße Hemd aus Seide. Dazu trug ich nur meine Uhr und den Ring von Nonna: einen Saphir, rund geschnitten, mit einem dichten Kranz kleiner Brillanten umgeben. Ich trug nie einen anderen Ring. Unschlüssig betrachtete ich mich im Spiegel, bevor ich meine Lippen mit einem brombeerfarbenen Stift nachzog. Sofort fand ich, daß ich wie meine Mutter aussah, aber meinem Vater würde das gefallen. Ich kämmte mich, tupfte etwas Parfüm hinter die Ohren. Mein Vater hatte mir »Bois des lies«
    geschenkt, ein seltenes Parfüm von Chanel. Dann knotete ich eine dunkelblaue Merinojacke um die Schultern, nahm meine Tasche und ging.
    Mein Vater war schon da. Er saß in einem der abgenutzten Ledersessel und hielt die zusammengerollte Tageszeitung auf den Knien. Er sah mich aus dem Aufzug kommen, stand auf und kam mir entgegen. Wir lächelten uns an. Er legte mir den Arm um die Schulter; wir tauschten einen Kuß.
    »Schön, daß du da bist. Das letzte Mal… wie lange ist es her?«
    »Das war im vorletzten Jahr, in Paris. Du hast dich kaum verändert, Papa.«
    Er deutete auf die Strähnen an den Schläfen.
    »Grau, siehst du?«
    »Steht dir gut.«
    »Wen versuchst du hinters Licht zu führen?«
    Im Mai wurde er sechzig, aber er war immer noch schlank wie ein Junge. Er spielte Squash, joggte und ging regelmäßig zur Sauna. Sport und frische Luft ersparten ihm den Selbstbräuner. Mein Vater war ein typischer Norditaliener, groß, dunkelblond, mit einem verwegenen Gesicht und einer stark hervortretenden Nase. Die Augen funkelten unter buschigen Brauen, und seine Brille für Weitsichtige war als Sonnenbrille getarnt. Wie immer trug er einen tadellos

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