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Feuersteins Drittes

Feuersteins Drittes

Titel: Feuersteins Drittes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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lernen, fehlte mir Erik mit seiner bayerischen Sturheit und den seltsamen Glucks- und Piepslauten, die er anstelle von Wörtern bei seiner Arbeit ausstieß. Vor allem vermisste ich seine boshaften Sabotageakte gegen den diktatorischen Kamera-Stefan, die so geschickt angelegt waren, dass sie dem Letzteren zwar ständig das Leben schwer machten, trotzdem aber niemals den Dreh gefährdeten. So stellte ich mir den idealen Terroristen vor, und mehr als einmal jammerte ich, wie sehr mir Erik fehlte. Ton-Stefan, der Neue, fühlte sich deshalb benachteiligt und ungeliebt, was aber nur zur Hälfte stimmte: Da ich mich selbst nicht mag, mag ich auch alle anderen Leute nicht, die ich eigentlich mögen möchte. Und bis ich mich an sie gewöhnt habe, damit ich sie mögen könnte , bin ich meist schon mit ihnen zerstritten...
    Auch unseren New-York-Film wollten wir auf die gleiche Art wie alle früheren beginnen: Fahrt oder Flug über die Landschaft auf ein winziges Ziel in der Ferne zu, das sich in der Nähe als Feuerstein mit Landkarte im Goldrahmen entpuppen würde. Ideal dafür wäre das Flachdach auf einem der Zwillingstürme des World Trade Center gewesen, das es 1969, bei meiner Abreise aus New York, gerade erst im Planungsstadium gegeben hatte und das dann später als Opfer von Hass und Wahnsinn nicht mal drei Jahrzehnte alt werden durfte. Aber wir bekamen keine Drehgenehmigung, und auch der Luftraum über Manhattan war streng reglementiert, lange schon vor den Terroranschlägen des 11. September: Niemals hätten wir mit dem Hubschrauber auch nur in Dachhöhe fliegen dürfen, nur rund um Manhattan, über dem Wasser, waren niedrigere Höhen erlaubt.
    Wolpers fand einen klugen Ausweg: Der Hubschrauber mit der Kamera würde von Süden herkommen, über die Hafeneinfahrt, an der Freiheitsstatue vorbei, und ich würde auf dem Dach eines der letzten Häuser stehen, die dort zwar nur zwanzig Stockwerke hoch sind, aber dafür einen freien, unverbauten Blick bieten. Tatsächlich fanden wir das ideale Gebäude ganz unten am Broadway, kurz bevor dieser in den Battery Park mündet. Und die Sache mit der Drehgenehmigung lösten wir auf New-York-Art: Hundert Dollar dem Hausmeister bar auf die Hand, dafür öffnete er die Dachluke und wusste von nichts.
    So geschah es auch und es klappte vorzüglich. Mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass die »Dachluke« ein Notausstieg war, der sich nur von innen öffnen ließ und mich mehrere Stunden lang zum Gefangenen auf einer leeren, windigen und nur durch ein paar Tonnen Taubenscheiße verzierten Plattform machte. Erst als mein Team nach dem Dreh wieder gelandet war und in aller Ruhe gespeist hatte, merkte jemand, dass einer fehlt, und als dann Wolpers nach vier Stunden zurückkam und die Luke öffnete, machte er ein Schafsgesicht und sagte: »Da bist du ja endlich.« Wäre ich weniger zivilisiert, hätte ich auch ohne Schmidt »WOLPERS!« gebrüllt und ihn alleine totgeschlagen. So aber schwieg ich und gab ihm nur einen Fußtritt.
    Wie es der Zufall wollte, konnten wir am gleichen Tag am selben Schauplatz auch die Schlussszene drehen. Denn auf diesem letzten Stück des Broadway finden die weltberühmten Ticker Tape-Paraden statt, New Yorks einzigartige Heldenehrungen für Krieger, Sportler und Astronauten, bei denen tonnenweise Papier aus den Bürofenstern der Hochhäuser geworfen wird. Früher waren es die Endlosschlangen aus den Börsentickern, die man das Jahr über nur für diesen Zweck aufbewahrte und die der Parade ihren Namen gaben. Heute ist es alles, was der Schredder hergibt, und zusätzlich auch noch jede Menge Klopapier, weil sich das so wunderbar die Fassade hinunter abrollen lässt.
    Diesmal galt die Huldigung der siegreichen Baseball-Mannschaft der New York Yankees , aber das zeigten wir nicht. Stattdessen marschierte ich kurz vor Beginn der Parade winkend den Broadway entlang, Stefan lief mit der Kamera vor mir her, und da jeder Amerikaner sofort zurückwinkt, wenn er eine Fernsehkamera erspäht, sieht das im Film so aus, als schritte ich unter dem Jubel der Massen ganz alleine den Broadway ab. Was man NICHT sieht, sind zahlreiche Ordner und Polizisten, die von allen Seiten auf uns zustürzten, um uns von der Straße zu vertreiben. Stefan war natürlich schneller.
    Nur ein paar Wolkenkratzer weiter, auf der Verlängerung der Wall Street hinter der ehrwürdig-niedlichen Trinity-Kirche, schlug Wolpers dann zum zweiten Mal zu. »Dreh mit zwei Fensterputzern« stand im Ablaufplan.

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