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Feuersteins Drittes

Feuersteins Drittes

Titel: Feuersteins Drittes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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trugen, die Hautfarbe vorwiegend weiß, in jedem zweiten Haus ein Hund. Zwar hatten sich auch ein paar schwarze Familien hierher verirrt, doch waren diese bestens integriert, obwohl bei ihrem Einzug jedes Mal Unruhe aufkam. Denn die Häusermakler waren dafür berüchtigt, in Häuser, die sich schwer verkaufen ließen, schwarze Problemfamilien zu pflanzen, um rundherum die Preise zu verderben und billige Schnäppchen zu machen. Unsere Schwarzen aber waren »so gut wie weiß«, wie mir Richie von gegenüber versicherte, ein Docksteward irischer Abstammung.
    Noch eine Eigenart meiner Vorstadtidylle: Damals gab es nur selten Zäune rund um das Grundstück, denn man hatte ja nichts voreinander zu verbergen, und für den Einbrecher lag der Colt unter dem Kopfkissen. Nachbarschaftshilfe war ungeschriebene Pflicht, und wenn mal morgens das Auto nicht ansprang, eilten aus mindestens drei Häusern Helfer mit Überbrückungskabeln herbei. Zu Halloween hielt man säckeweise Süßigkeiten bereit, und am 4. Juli waren wir die Einzigen im Block, die kein Sternenbanner hissten. Wir parkten dann immer das Auto drei Straßen um die Ecke, aßen im Dunklen und spielten verreist.
    Sie spüren es: Mein Hirn kocht geradezu über von Erinnerungen an dieses Haus, die so gern erzählt werden möchten. Aber ich finde, das reicht jetzt an Biografie, ein aktuelles Reisebuch darf nicht im Memoirensumpf versinken. Deshalb verzichte ich auf den Bericht, wie ich Lucky, den Nachbarhund, rettete, als er vom Blizzard eingeschneit war; ich verschweige auch meine Heimwerker-Epoche, die mich wie eine Suchtkrankheit überfiel und dazu zwang, das Wohnzimmer mit Paneelen zu vernageln und Korkfliesen unter die Schlafzimmerdecke zu kleben; ich berichte nichts von Conny, meiner Nachbarin, die jedes Mal, wenn die Müllabfuhr kam, in sexuelle Raserei verfiel und im Nachthemd auf der Veranda tanzte, bis sie dann, wenn die Müllmänner wieder abgezogen waren, erschöpft und schwer atmend in sich zusammensank; und kein Wort verliere ich über Franco, ihren Ehemann, der ein Auto mit Klimaanlage besaß und an heißen Wochenenden stundenlang drinnen hockte, bei laufendem Motor, während Frau und Kind im nicht klimatisierten Haus schwitzen mussten. Nicht einmal die alte Dame im Nachthemd erwähne ich, die uns alle paar Wochen aus dem Schlaf klingelte, mit der Behauptung, dass sie hier wohne, und die dann immer vom gleichen gelangweilten Sheriff verhaftet wurde, weil man damals noch nichts über die Alzheimer Krankheit wusste. All das verschlucke ich jetzt, auch wenn sich mein Bauch unter dem Druck der gefressenen Erinnerungen aufbläht wie ein Heißluftballon vor dem Start. Nur eine Geschichte MUSS ich noch loswerden. Die Geschichte von meinem ersten Buch.
    Auf einer Reise nach Haiti — das war 1967, noch zur Zeit des gefürchteten Voodoo-Diktators »Papa Doc« Duvalier — verliebte ich mich in Port-au-Prince in einen holzgeschnitzten Kerzenleuchter. Kein gewöhnlicher Kerzenleuchter, sondern ein halber Baumstamm, fast so groß wie ich. Ich kaufte ihn und ließ ihn per Luftfracht in einer sargähnlichen Kiste nach New York fliegen.
    Am gleichen Tag, als ich die Nachricht erhielt, mein Kerzenleuchter läge zur Abholung im Frachtterminal des Kennedy-Flughafens bereit, sollte auch Daniel Keel eintreffen, der legendäre Gründer und damals noch aktive Leiter des Diogenes-Verlags in Zürich. Zu jener Zeit war ich noch gastfreundlich, betreute alte Freunde mit Rat und Tat auf ihrer ersten Amerika-Reise und hatte gerade den wunderbaren Tiroler Zeichner Paul Flora für ein paar Tage zu Gast gehabt. Und ebenjener war es, der mir den Auftrag erteilte, mich ein bisschen um Daniel Keel zu kümmern — in den sechziger Jahren war so eine Reise auch für Verleger noch eine große Sache. Sie waren damals alle noch bescheidene Leute, dankbar für ein billiges Hotel und ein bisschen Rumgefahrenwerden.
    Ich holte Daniel Keel am Flughafen ab, und weil Verleger, wie gesagt, damals noch bescheidene Leute waren, hatte er acht Stunden in der Holzklasse einer grässlich lauten, ungemütlichen, heute nur noch in Usbekistan zugelassenen Boeing 707 verbracht und war bei der Ankunft fix und fertig. Da ich nun schon mal am Flughafen war, nutzte ich die Gelegenheit und fuhr mit ihm hinüber zum Frachtterminal — war ja schließlich nur ein kleiner Umweg. Gemeinsam nahmen wir dort die Kiste mit dem Kerzenleuchter in Empfang, und ich machte einen meiner üblichen Witze: Da wäre der Leichnam meiner

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