Feuersteins Reisen
Als Privatgelehrter und Fernsehblödler der heutigen Zeit aber kann man mit so einem Stück Holz höchstens dann Aufmerksamkeit erwarten, wenn man es sich in den Arsch schiebt. Das aber hatte ich an Ort und Stelle versäumt — sehr zum Leidwesen von Wolpers —, und so kam es, dass diese Szenen im Schnittmüll endeten. Schlimmer noch: Monate später gestand mir Wolpers, dass ihm schon am Drehort die Unbrauchbarkeit der Geschichte klar geworden war, weshalb er Stephan angewiesen hatte, zwar die Kamera hinzuhalten, aber nicht wirklich zu drehen — aus Höflichkeit gegenüber den Archäologen bei gleichzeitiger Materialersparnis. Tja, so ist es, das Produzentenpack.
Dazu kommt natürlich, dass man in vierzehn Tagen niemals in die Ecken und Winkel fremder Kulturen eindringen kann, da hatte unser Experte schon recht, wenn er uns voller Misstrauen betrachtete. Und wahrscheinlich hatten auch die Leute von der NANA recht, der Northern Alaska Native Association, die für die kulturellen und touristischen Kontakte der Ureinwohner zuständig sind und die uns regelrecht auflaufen ließen, weniger aus Misstrauen, wie ich vermute, als aus Desinteresse und Schlamperei. Per Fax hatten sie noch große Aktionen angekündigt, und ich zitiere Doris, die stolz im Recherchenpapier geschrieben hatte: »In der Regel sind die Inuit Fremden gegenüber nicht allzu aufgeschlossen. Daher ist das Programm, das von NANA für uns zusammengestellt wurde, recht beachtlich: Blanket Tossing (das Hochwerfen der Späher), rituelle Tänze, Jagen und Sammeln in der Tundra, Errichten eines Lagers im Eis, Gespräche mit Älteren über deren Probleme mit der modernen Gesellschaft... «Ja, von wegen, liebe Doris. Vor Ort war dann nicht nur keiner mehr zuständig, wir hatten sogar Schwierigkeiten, überhaupt einen Inuit zu finden, der bereit war, vor der Kamera zu reden — und jeder Satz kostete zwanzig Dollar.
Der Sheriff meinte, das läge wohl daran, dass die Leute andere Dinge im Kopf hätten, weil gerade das Schnapsschiff draußen in der Bucht geankert hatte — bei den Inuit gibt es ebenso wie in den meisten Indianerreservaten Amerikas strenge Beschränkungen beim Alkoholverkauf, mit entsprechend großer Verbreitung von Schwarzhandel und Schmuggel. Ich aber meine, dass es einfach das gute Recht der Menschen ist, sich zu verweigern, vor allem Leuten wie uns, Überflieger im wahrsten Sinn des Wortes. Denn was wir per Flugzeug oder Auto erreichen konnten, war nicht Inuit-Land, sondern Amerika, der 49. amerikanische Bundesstaat Alaska. Die Inuit und Indianer, die wir trafen, waren Amerikaner, von den wenigen Museumsfiguren abgesehen, die für den Tourismus eine Pseudokultur vorgaukeln, ähnlich wie unsere Schuhplatder. Mit den Museumsfiguren konnten wir nichts anfangen, die anderen konnten mit uns nichts anfangen. Sie wollten es gar nicht. Und die wenigen, die Inuit und Indianer geblieben sind, leben dort, wo unsereins nicht hin kommt. Und auch gar nicht hin kommen soll.
Trotzdem: Diese erste Reise nach Alaska war eine aufregende, wunderbare Erfahrung, und den Film, der daraus entstand, halte ich für einen unserer besten, auch wenn sich die Inuit verweigert hatten. Eine richtige Begegnung mit ihnen fand aber dann doch statt: zwei Jahre später, in Grönland. Diese Reise machte ich im Auftrag eines wissenschaftlichen Magazin namens >Playboy<. Und meinen Beitrag, das »Grönland-ABC«, können Sie auch heute noch in vielen Spinden von Bundeswehrsoldaten finden, auf der Rückseite der aufgeklebten Pin-up-Girls.
Ataseeq pingasut qulaaluat arfinek-pingasut arfinillit
Das ist meine Fax-Nummer in der Inuit-Sprache, für den Fall, dass mir jemand was sagen möchte, was Nettes, hoffentlich. Eigentlich sind das grönländische Ziffern, aber ich gehe davon aus, dass wenigstens die Zahlwörter in allen Inuit-Dialekten gleich sind — wie hätten die Leute zwischen Sibirien und Grönland sonst miteinander handeln können? Und dazu noch die Ortsvorwahl: Null (ich hatte leider vergessen, mir das Wort für »Null« aufzuschreiben, und weiß nicht mal, ob es diese Nicht-Zahl bei den Inuit überhaupt gibt) marluk marluk pingasut marluk , leicht zu merken. Aus dem Ausland käme noch mal die Ländervorwahl null null sisamat qulaaluat dazu.
In Kotzebue, diesem Müllhaufen von Ortschaft direkt am Polarkreis, hatte ich die Seilers besucht, ein freundliches, älteres Ehepaar aus dem Schwabenland, das dort seit 25 Jahren lebt. Beruf: Missionare. Aufgabe: Übersetzung der
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