Feuertaufe
insbesondere Plötze, wollten nicht an Bord gehen, doch der Fährmann und sein dümmlicher Gehilfe legten ihnen Nasenstangen aus Zweigen und Schnüren an. Die Übung, mit der sie das taten, bewies, dass sie schon des öfteren gestohlene Pferde über die Jaruga geschmuggelt hatten. Der dümmliche Hüne drehte das Rad, das die Fähre antrieb, und die Überfahrt begann.
Als sie auf die Wasserfläche hinauskamen und der Wind sie umwehte, besserte sich die Stimmung. Die Überfahrt über die Jaruga war etwas Neues, eine Zäsur, die einen Fortschritt bei der Reise deutlich machte. Vor ihnen lag das Nilfgaarder Ufer, die Grenze. Alle wurden auf einmal lebhafter. Selbst der dümmliche Gehilfe des Fährmanns wurde davon erfasst, er begann plötzlich, zu pfeifen und irgendeine schwachsinnige Melodie zu summen. Auch Geralt fühlte eine seltsame Euphorie, als werde jeden Augenblick aus dem Erlengehölz am linken Ufer Ciri hervortreten und bei seinem Anblick freudig rufen.
Stattdessen rief der Fährmann. Und keineswegs freudig. »Götter! Wir sind verloren!«
Geralt schaute in die Richtung, in die der Mann zeigte, und fluchte. Zwischen den Erlen auf dem hohen Ufer blitzten Rüstungen auf, ertönte Hufschlag. Im Nu wimmelte die Anlegestelle der Fähre auf dem linken Ufer von Berittenen.
»Die Schwarzen!«, schrie der Fährmann und ließ das Rad los. »Nilfgaarder! Tod! Rettet uns, ihr Götter!«
»Halt die Pferde fest, Rittersporn!«, rief Milva, während sie versuchte, mit einer Hand den Bogen aus dem Futteral zu ziehen. »Halt die Pferde fest!«
»Das sind keine Kaiserlichen«, sagte Cahir. »Ich glaube nicht...«
Er wurde von den Rufen der Berittenen an der Anlegestelle übertönt. Und vom Geschrei des Fährmanns. Von diesem Geschrei angetrieben, packte der dümmliche Gehilfe eine Axt, holte aus und hieb mit Schwung auf das Seil ein. Der Fährmann half ihm mit einer zweiten Axt. Die Reiter an der Anlegestelle bemerkten es, sie fingen auch zu schreien an. Ein paar ritten ins Wasser, packten das Seil. Ein paar versuchten, schwimmend den Prahm zu erreichen.
»Lasst das Seil in Ruhe!«, rief Rittersporn. »Das ist nicht Nilfgaard! Nicht durchschneiden!«
Doch es war zu spät. Das durchgehackte Seil fiel schwer ins Wasser und versank, der Prahm drehte sich leicht und begann, flussabwärts zu treiben. Die Berittenen am Ufer stimmten ein entsetzliches Gebrüll an.
»Rittersporn hat recht«, sagte Cahir mit finsterer Miene. »Das sind keine Kaiserlichen... Sie sind am Nilfgaarder Ufer, aber das ist nicht Nilfgaard.«
»Natürlich nicht!«, rief Rittersporn. »Ich erkenne doch die Abzeichen! Adler und Rauten! Das ist das Wappen von Lyrien! Das sind die lyrischen Guerillas! He, Leute...«
»Geh hinter der Bordwand in Deckung, du Dummkopf!«
Der Dichter hörte wie üblich nicht auf die Warnung, er wollte herausfinden, was los war. Und da begannen Pfeile durch die Luft zu schwirren. Ein Teil von ihnen schlug mit dumpfem Geräusch in der Bordwand des Prahms ein, ein Teil flog darüber hinweg und platschte ins Wasser. Zwei kamen geradewegs auf Rittersporn zu, doch der Hexer hatte schon das Schwert in der Hand, er sprang hinzu, lenkte mit schnellen Hieben beide Pfeile ab.
»Bei der Großen Sonne«, stöhnte Cahir. »Er hat sie weggeschlagen ... Zwei Pfeile! Unglaublich! So was habe ich noch nie gesehen ...«
»Siehst du auch nicht mehr! Ist mir zum ersten Mal im Leben gelungen, zwei abzulenken! Geht in Deckung!«
Die Krieger am Ufer hatten jedoch den Beschuss eingestellt, da sie sahen, dass die Strömung den Prahm geradewegs an ihr Ufer trieb. Das Wasser schäumte an den Flanken der in den Fluss getriebenen Pferde. Die Anlegestelle füllte sich mit weiteren Berittenen. Es waren mindestens zweihundert.
»Helft!«, begann der Fährmann zu schreien. »Greift zu den Staken, ihr Herren! Es trägt uns zum Ufer!«
Sie verstanden ihn augenblicks, und Staken gab es zum Glück genug. Regis und Rittersporn hielt die Pferde fest, Milva, Cahir und der Hexer unterstützten die Anstrengungen des Fährmanns und seines dümmlichen Adlatus. Der von fünf Staken abgestoßene Prahm drehte sich und begann schneller zu schwimmen, wobei er sichtlich zur Flussmitte hintrieb. Die Krieger am Ufer brachen wieder in Geschrei aus, griffen wieder zu den Bögen, wieder schwirrten Pfeile heran, eins der Pferde begann wild zu wiehern. Der von der stärkeren Strömung erfasste Prahm schwamm zum Glück schnell und entfernte sich immer weiter vom Ufer, aus
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