Feuertaufe
Schererei. Ein Klotz am Bein. Hat's das dumme Mädel erwischt, wie's mit dummen Mädels eben geht!«
»Warum bist du mit mir geritten?«, fragte er leise. »Warum bist du nicht im Brokilon geblieben? Du wusstest doch...«
»Ich wusste«, unterbrach sie ihn rasch. »Ich war ja unter Dryaden, und die erkennen auf Anhieb, was mit dir los ist, vor denen verbirgst du nichts. Sie haben es eher gemerkt als ich selber... Aber ich hab nicht gedacht, dass mich die Schwäche so schnell ankommt. Ich dacht mir, es kommt 'ne Gelegenheit, da trink ich Mutterkorn oder 'n andres Gebräu, du würdest gar nichts merken, nicht mal was ahnen ...«
»So einfach ist das nicht.«
»Ich weiß. Der Vampir hat's mir gesagt. Ich hab's zu lange schleifen lassen, überlegt, gezögert. Jetzt wird's nicht mehr glattgehen...«
»Das habe ich nicht gemeint.«
»Verdammt«, sagte sie nach einem Moment. »Und ich dachte, ich hätte Rittersporn in Reserve! Hab ja gesehn, dass er den starken Mann spielt, dabei ist er weich, schwach, nicht an Arbeit gewöhnt, man kann drauf warten, dass er nicht weiterkommt und wir ihn zurücklassen müssen. Ich dacht, wenn's schlimm kommt, kehr ich mit Rittersporn um ... Aber da haben wir's: Rittersporn hält sich wacker, und ich ...«
Ihre Stimme brach plötzlich. Geralt umarmte sie. Und wusste sogleich, dass das die Geste war, auf die sie gewartet hatte, die sie dringend brauchte. Rauheit und Härte der Bogenschützin aus dem Brokilon waren wie weggeblasen, es blieb die bebende, sanfte Weichheit eines geängstigten Mädchens. Und doch war sie es, die das sich hinziehende Schweigen brach.
»So hast du mir's damals gesagt... Im Brokilon ... Dass ich eine... Schulter brauchen werd. Dass ich in die Nacht schreien werd, ins Dunkel... Du bist da, ich spür deine Schulter an meiner... Aber schreien will ich immer noch... O jechen, je... Was zuckst du zusammen?«
»Nichts. Eine Erinnerung.«
»Was wird mit mir?«
Er antwortete nicht. Die Frage galt nicht ihm.
»Der Vater hat mir mal was gezeigt... Bei uns am Fluss gibt's solche schwarzen Wespen, die legen Eier in eine lebende Raupe. Aus den Eiern schlüpfen kleine Wespen, fressen die Raupe bei lebendigem Leibe auf... Von innen her... Jetzt sitzt was in mir. In mir, drinnen, in meinem eignen Bauch. Das wächst, wächst immer weiter und frisst mich bei lebendigem Leibe auf...« »Milva...«
»Maria. Ich bin Maria, nicht Milva. Was geb ich denn schon für eine Weihe ab? 'ne Glucke bin ich mit 'nem Ei, keine Weihe ... Milva hat mit den Dryaden auf dem Schlachtfeld gelacht, hat Pfeile aus den blutbedeckten Leichen gezogen, ein guter Pfeilschaft darf ja nicht verloren gehn, schade um eine gute Spitze! Und wenn noch einer atmete, nach Luft schnappte - mit dem Messer durch die Kehle! Zu so einem Schicksal hat Milva diese Leute durch Verrat geführt, und hat gelacht... Das Blut von denen ruft jetzt. Dieses Blut frisst jetzt wie Wespengift Maria von innen her auf. Maria bezahlt für Milva.«
Er schwieg. Hauptsächlich, weil er nicht wusste, was er sagen sollte. Die junge Frau stützte sich stärker gegen seine Schulter.
»Ich hab ein Kommando zum Brokilon geführt«, sagte sie leise. »Das war auf dem Rodfeld, im Juni, eine Woche vor dem Johannisfeuer. Sie haben uns eingeholt, es gab einen Kampf, wir sind zu siebt davongekommen: fünf Elfenkrieger, eine Elfe und ich. Bis zum Bandwasser gut eine halbe Meile, aber Berittene hinter uns, Berittene vor uns, ringsum Finsternis, Sumpflöcher, Morast... Nachts haben wir uns in den Korbweiden versteckt, mussten den Pferden Ruhe gönnen und uns auch. Da hat sich die Elfe ohne ein Wort ausgezogen, sich hingelegt ... und der erste Elf ging hin... Mir lief es kalt übern Rücken, ich wusst nicht, was ich machen soll... Weggehen, so tun, als ob ich nichts seh? Das Blut hämmert mir in den Schläfen, da sagt sie plötzlich: >Wer weiß, was morgen ist? Wer übers Bandwasser geht und wer ins Gras beißt? En'ca minne. <
So hat sie's gesagt: ein bisschen Liebe. Nur so, sagt sie, kann man den Tod bezwingen. Und die Furcht. Die Männer hatten Angst, sie hatte Angst, ich hatte auch Angst... Und ich zog mich auch aus und legte mich ein Stück abseits hin, breitete mir vorher eine Decke aus ... Als der Erste mich in die Arme nahm, biss ich die Zähne zusammen, denn ich war nicht bereit, war verängstigt und trocken ... Aber er war klug, immerhin ein Elf, dem Anschein nach noch jung ... Klug... Einfühlsam ... Er roch nach Moos, nach Gräsern
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