Feuerwogen
wissen.
Calebs Blick kehrte zu ihr zurück, doch sie hatte den Eindruck, dass er sie gar nicht sah. Das war die Tragödie ihres Lebens, wirklich. »Verdammt, wenn ich das nur wüsste.«
Typisch. Unzuverlässig, typisch männlich.
»Reggie.« Calebs Blick wurde wieder scharf. Seine Stimme war sanft. »Ist hier etwas im Busch? Gibt es einen Grund, warum du diesen Kerl, diesen Jericho einstellen willst?«
Ja. Nein.
Ich könnte schwanger sein. Mit dem Kind deines Bruders.
Definitiv:
nein.
Sie zuckte mit den Schultern. »Wir haben im Moment wirklich viel zu tun. Ich könnte Hilfe gut gebrauchen.«
»Lucy«, schlug Margred vor.
Caleb runzelte nachdenklich die Stirn.
Regina schüttelte den Kopf. »Ich brauche keine Kellnerin. Ich brauche jemanden für die Drecksarbeit.«
»Lucy scheut sich nicht vor Arbeit«, sagte Caleb. »Oder vor Dreck.«
Margred nickte. »Und sie ist stark.«
»Auf dem College war sie in der Leichtathletikmannschaft«, ergänzte Caleb nicht ohne Stolz.
»Sie würde mehr verdienen, wenn sie bei deinem Vater auf dem Boot mitfährt«, gab Regina zu bedenken.
»Lucy hasst das Wasser«, wandte Margred ein.
»Sprich doch mit ihr«, meinte Caleb. »Ich sage ihr, dass sie vorbeikommen soll.«
»Das wäre … gut«, befand Regina. Sie lächelte. »Danke.«
Caleb erwiderte ihr Lächeln nicht. »Pass einfach auf dich auf.«
Regina berührte das Kreuz an ihrem Hals. »Ich versuche es.«
Mit einem Auge auf der Uhr und dem anderen auf der Eingangstür traf sie alle Vorbereitungen für den Abend, schrieb die Tagesgerichte auf die Tafel und arbeitete ein Dutzend Hummerbestellungen zum Mitnehmen ab.
Und jedes Mal, wenn ein großer, dunkelhaariger Mann über die Schwelle trat, machte ihr Herz ebenso viel Lärm wie die Glocke über dem Eingang.
Aber es war nie Dylan.
Gäste kamen und gingen, holten bestellte Hummer und Pizzas ab oder blieben, um bei einem Happen Pasta den neuesten Klatsch wiederzukäuen. Antonia kam auf dem Höhepunkt der Abendschicht vorbei, um auszuhelfen, und Nick kam zwischen dem ersten und zweiten Film des Chuck-Norris-Abends im Fernsehen nach unten, um sich ein Frikadellensandwich zu holen.
Dylan kam nicht.
Vielleicht dauerte das Gespräch mit seinem Bruder länger als erwartet, dachte Regina, als sie den Grill ausschaltete.
Oder vielleicht hatte sie ihn endgültig vertrieben. Während sie durch das stille Restaurant ging, hallten ihre eigenen Worte in dem leeren Raum wider:
»Versuch erst mal, eine Zeit lang für jemand anderen außer dir Verantwortung zu tragen, und dann reden wir weiter.«
Okay, gut. Sie drehte das Schild an der Tür von »Geöffnet« zu »Geschlossen« um.
Sie hatte nichts anderes erwartet. Nicht von ihm und auch nicht von jemand anderem. Wenn man lernte, nichts zu erwarten, konnte man nicht enttäuscht werden. Ihr und Nick ging es auf sich allein gestellt gut.
Zumindest, wenn sie ein wenig Unterstützung bekamen. Morgen würde sie mit Lucy über den Sommerjob sprechen.
Sie machte Kassensturz, zählte Scheine und Quittungen.
Zwanzig, vierzig, sechzig, achtzig …
Zählte weiter:
September, Oktober, November, Dezember …
Ihr Baby würde im April zur Welt kommen. Falls es ein Baby gab. Wenn der Druck tief in ihrem Bauch von mehr als Nervosität und Wassereinlagerungen kam.
Sie verzählte sich und musste noch einmal von vorn anfangen.
Zwanzig, vierzig, sechzig …
Die Tische abwischen, alle Arbeitsflächen und die Theke putzen, den Müll hinausbringen, den Boden wischen. Die Routinearbeiten hätten sie beruhigen sollen, aber in ihrem Kopf rasten die Gedanken weiter wie ein Hamster im Laufrad, immer im Kreis, ohne irgendwo anzukommen.
Sie war daran gewöhnt, Pläne zu machen und Vorbereitungen zu treffen, und es ging ihr weit besser mit der Frage »Was kommt als Nächstes?«, als mit »Was wäre, wenn?«. Selbst das Wagnis, mit achtzehn nach Boston zu gehen, war ihrem pragmatischen Verstand nur wie der nächste logische Schritt in der beruflichen Laufbahn erschienen, die sie sich ausgesucht hatte.
Ja, und nun sah sie ja, wohin das geführt hatte. Jedes Risiko, das sie jemals eingegangen war, egal, wie kalkuliert es gewesen war, hatte in eine Sackgasse oder in die Katastrophe geführt.
Nur nicht, was Nick betraf. Sie war froh, dass sie Nick hatte.
Aber Gott, o Gott, sie wollte nicht wieder schwanger sein.
Erschöpfung zerrte an ihren Muskeln und senkte sich bleischwer auf ihre Knochen. Sie kehrte vom Müllcontainer zurück und ging in die
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