Feuerwogen
dir doch gar nicht um mich, sondern darum, wer das hatte, was du willst. Ach, leck mich.«
»Das hast du ja gerade verhindert. Also rede mit mir.«
Ihr schnaubendes Lachen überraschte sie beide. »Es war Nicks Vater, okay? Ich habe in seiner Küche gearbeitet.«
»In Boston.«
Ihre Augen weiteten sich. »Woher weißt du das?«
»Nick hat es mir erzählt. Am ersten Tag, damals am Strand.«
Ihre Hand fuhr an die Kette um ihren Hals, an die Totemfigur ihres ermordeten Christus. Dylan war diese Geste schon früher aufgefallen. Rief sie ihn um Hilfe an? Oder war es eher eine nervöse Angewohnheit?
»Nick hat mit dir über seinen Vater gesprochen?«, fragte sie.
Er sah noch immer auf ihre Brust, auf die Goldkette, all die glatte Haut über dem Ausschnitt ihres Tanktops. »Er hat gesagt, dass du ihn verlassen hättest.«
»Ja. Nachdem Alain ziemlich deutlich gemacht hatte, dass er nichts mehr mit mir und dem Baby zu tun haben wollte.«
Babys, nun ja … Babys waren eine große Verantwortung. Kein Wunder, dass der Kerl abgeschreckt gewesen war. Dylan hob den Blick von der leichten Wölbung ihrer Brüste zu ihrem Mund, der so sensibel und ein wenig traurig war.
»Es gibt Schlimmeres, als ohne Vater aufzuwachsen«, bemerkte er.
»Mir fällt nichts ein.«
Dylan hob die Augenbrauen.
»Meiner ist abgehauen, als ich drei war«, erklärte Regina.
»Aber du hattest deine Mutter.«
»Wenn sie nicht gearbeitet hat. Ich hätte mir für Nick etwas anderes gewünscht.«
Die Schatten in ihren Augen verwirrten ihn. »Du hast dir das nicht ausgesucht«, meinte er.
»Nicht damals. Ich meine jetzt.«
Er konnte ihr nicht folgen. Er war noch immer hart, und sein Gehirn immer noch vor Wolllust getrübt.
Regina seufzte. »Ich kann Nick keine Mutter sein, die immer da ist. Das Mindeste, was ich tun kann, ist, ihm einen Kerl zu ersparen, der sowieso nicht bleibt.«
Dylan runzelte die Stirn. »Du hast immer gewusst, dass ich nicht bleibe. Aber das hat dich am Strand nicht abgehalten.«
Sie reckte das spitze Kinn. »Ich war betrunken. Überhaupt war das, bevor ich dich kannte. Bevor Nick dich kannte. Ich kann es nicht riskieren, dass er eine Beziehung zu dir aufbaut.«
»Ich will doch nicht bei dir einziehen.« Die Enttäuschung ließ seine Stimme scharf klingen. »Es muss sich nichts ändern. Ich will nur Sex.«
»Sex verändert die Dinge.« Ihre Augen suchten die seinen. Es waren warme, braune, aufrichtige Augen. »Vielleicht kann ich es ja auch nicht riskieren, eine Beziehung zu dir aufzubauen.«
Sein Herz zog sich zusammen wie eine Faust. Er war ein Selkie. Es lag nicht in seiner Natur, Beziehungen aufzubauen. Und doch …
»Du unterschätzt dich«, erwiderte er.
»Was zum Teufel soll das heißen?«
»Vielleicht bist du mir ähnlicher, als du wahrhaben willst.«
Oder vielleicht hatte sie mehr Macht über ihn, als er nicht einmal sich selbst einzugestehen wagte.
»Ich habe ein Kind. Du nicht.« Regina sprang vom Arbeitstisch und schob Dylan zur Seite. »Versuch erst mal, eine Zeit lang für jemand anderen außer dir Verantwortung zu tragen, und dann reden wir weiter.«
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6
I ch kann nicht in der Küche essen.« Jericho umklammerte seine Essenstüte und wich einen Schritt von der Küchentür zurück. Der Geruch von Kartoffeln und Zwiebeln folgte ihm auf die Gasse und vermischte sich mit dem Gestank von Bratenfett aus der Fritteuse und einer Duftwolke von verrottendem Hummer aus dem Müllcontainer. Reginas Magen hob sich.
»Es wäre etwas anderes«, sagte er, »wenn es kein Almosen wäre.«
Regina starrte finster vor sich hin. Es machte sie wütend, dass sie nicht mehr für ihn tun konnte. Dass sie nicht mehr für ihn tun wollte. »Es ist kein Almosen. Es ist ein Sandwich.«
Jerichos dünne Lippen verzogen sich zum Anflug eines Lächelns. Er hatte Anstrengungen unternommen, sich zu waschen, bemerkte sie, sich sogar zu rasieren. Sie konnte an seinem Hals erkennen, wo sein Bart aufgehört hatte und der Schmutz anfing. Trotz dieser zweifelhaften Demarkationslinie musste sie zugeben, dass er ohne die Stoppeln vertrauenswürdiger aussah. Nicht so furchteinflößend.
»Vielleicht könnte ich aushelfen«, schlug er vor, ohne ihr in die Augen zu sehen. »Zum Ausgleich für das Essen.«
O nein. Sie war nicht auf eine neue Verantwortung scharf. Obwohl, vielleicht …
Ihre Erleichterung bei Dylans Erscheinen gestern war ihr eine Erkenntnis ebenso wie eine Warnung gewesen. Sie konnte nicht bei jeder neuen Lieferung
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