Fey 04: Die Nebelfestung
Bretter waren aus den Wänden gefallen. Sein Vater hatte die Löcher mit Lumpen zugestopft.
Auf dem Kaminrost nicht weit von Gabe brannte ein Feuer, das allein die gesamte Hütte mit Wärme versorgen mußte. Seine Mutter lag, auf Kissen gebettet, gleich daneben, und sein Vater stand an der Tür. Die Heiler hatten seine Mutter nach Hause entlassen, weil sie den Platz im Domizil für die vielen beim Zusammenbruch verwundeten Fey brauchten. Innerhalb kürzester Zeit waren fünfzehn Fey umgekommen und fünfzig verletzt worden.
Die Schamanin hatte gesagt, ihrer Meinung nach sei das ein untrügliches Zeichen dafür, daß Gabes Großvater nicht mehr lebte. Er war von seinem Ausflug nicht zurückgekehrt, und nun verhielten sich die Fey so, als sei Gabe ihr neuer Anführer.
Der einzige, der sich normal verhielt, war sein Vater. Gabe hatte verlangt, daß man ihn in Ruhe lasse. Sein Vater hatte diesen Zauberhüter namens Streifer eingelassen.
Streifer trug einen Verband quer über das Gesicht. Auch ein Auge war davon verdeckt. Wie es aussah, hatte er von einem herabfallenden Holzstück eine mächtige Schramme abbekommen, und Splitter aus dem Himmel hatten ihn am Arm verletzt. Im Gegensatz zu einigen anderen Fey ließ er sich jedoch nicht davon beeinträchtigen und hatte sich unverzagt wieder an die Arbeit gemacht.
Leider mußte er im Zuge seiner Arbeit auch Gabe belästigen.
»Gabe«, sagte er, wobei er in die Hocke ging und Gabe die Hände von den Ohren wegzog. »Ich weiß, daß Coulter und du Freunde seid. Ich möchte, daß du ihm sagst, er soll zurückkommen.«
»Das hört sich vernünftig an, Gabe«, pflichtete sein Vater Streifer bei. »Coulter weiß, wie wir diesen Inselleuten Einhalt gebieten können.«
Gabe verstand nichts von all diesem Gerede hinsichtlich Aufhalten, Einhalt gebieten und Verhindern. Die einzigen Inselbewohner, die er jemals gesehen hatte, waren Coulter und Adrian. Einige andere hatte er bei seinen Reisen über die Verbindung gesehen, darunter auch seinen richtigen Vater.
»Coulter will nicht mehr zurück«, erwiderte Gabe. Soviel hatte er verstanden. Das wußte er mit Sicherheit. Coulter gefiel es draußen. Er sagte, es sei herrlich dort. Und er hatte vorgeschlagen, Gabe solle ihn dort einmal besuchen. Was Coulter nicht wußte, war, daß Gabe die Außenwelt schon zeit seines Lebens besucht hatte – ohne die Schattenlande jemals zu verlassen.
»Wir brauchen ihn«, sagte Streifer.
Gabe riß seine Hand los und preßte sie wieder auf sein Ohr. »Nein.«
Auch durch die Hände konnte er noch hören. Aber die Geste allein wirkte. »Ich glaube, du solltest es später noch einmal versuchen«, sagte sein Vater ruhig zu Streifer.
Streifer erhob sich. »Das hast du beim letzten Mal auch schon gesagt. Kannst du ihn denn nicht dazu bringen, daß er …«
»Er ist noch ein Kind.« Die Stimme seiner Mutter klang leise und matt, als koste sie jedes Wort eine große Anstrengung. »Für ihn scheint alles klar zu sein, und, ehrlich gesagt, ist es das wohl auch. Was du und Rotin diesem Jungen in eurer Hütte angetan habt, würde jeden ein für allemal verschrecken. Selbst wenn ihr ihn zurückholen könntet, würde er euch nicht viel helfen.«
Gabe zog die Stirn kraus. Helfen? Wobei denn helfen? Das hatte ihm noch niemand erklärt. Sie hatten gesagt, Coulter könne irgendein Gift aufhalten. Dann hatten sie gesagt, dieses Gift habe seine richtige Mutter getötet, und zwar auf ekelhafte Weise, aber Gabe hatte eine bessere Lösung, als Coulter zurückzuholen. Meide die Schwarzkittel. Verlasse nie das Schattenland. Dann muß auch niemand das Gift aufhalten. Das Gift kam erst gar nicht an sie heran.
Gabes Vater sagte, die Sache sei nicht so einfach, aber Gabe hatte sich darüber gewundert. Sie erklärten ihm nicht alles, und bis er alles verstehen konnte, hörte er lieber auf Coulter. Coulter hatte ihm das Leben gerettet.
Streifer legte ihm eine Hand auf den Kopf. Gabe wich seiner Berührung aus.
»Gabe«, sagte Streifer sehr laut, »laß mich bitte mit dir reden.«
»Nein!« antwortete Gabe. Er hatte genug. Er hatte sie gerettet, wie die Schamanin sagte, und jetzt wollten sie noch mehr von ihm. Als sie mehr Löcher im Schattenland fanden, hatte er sie geschlossen. Als sie ihn baten, eine neue Möglichkeit zur Öffnung des Torkreises zu finden, hatte er eine gefunden. Er war müde. Er hatte schon seit Tagen nicht mehr geruht, und er wollte mit seiner Mama reden. Sie sah immer noch sehr krank aus, und er
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