Fey 10: Das Seelenglas
demselben Gebirgszug befinden. Dieser Gang hier führte allerdings nach Osten, Jewels Höhle lag weiter nördlich und nur wenige Kilometer von Constantia entfernt.
Schon als Kind hatte man ihn vor den unzähligen verborgenen Höhlen unter den Blutklippen gewarnt. Das war nur logisch, denn man hatte ihn ja auch vor den Klippen selbst gewarnt, obwohl sie ihn stets gelockt hatten.
So wie jetzt.
Pausho drehte sich nach ihm um. Zaks Fackel erleuchtete nur ihre eine Gesichtshälfte. Sie blickte Matthias einen Moment lang forschend an, dann seufzte sie. »Du fühlst es.«
Es war eine Feststellung, keine Frage, deshalb antwortete Matthias auch nicht. Es war ganz offensichtlich eine Art Prüfung.
»Er fühlt es, Zak.«
»Wieso überrascht dich das?« fragte Zak so gedämpft, daß Matthias die Ohren spitzen mußte, um ihn zu verstehen.
Pausho wiegte bedächtig den Kopf. »Ich hatte gehofft, es wäre nicht so.«
»Du hast gehofft, ich wäre nicht wie du«, warf Matthias ein. »Es ärgert dich jedesmal furchtbar, wenn du feststellen mußt, daß wir etwas gemeinsam haben.«
Aber Pausho ging nicht darauf ein. Sie stützte sich wieder auf Zak und ging so unbeirrt weiter, als hätte sie nichts gesagt.
Matthias zitterte. Ein überwältigender Zorn, von dessen Existenz er bis dahin nichts gewußt hatte, stieg in ihm auf. Wie sehr er sich auch gegen Pausho wehrte, sie schaffte es jedesmal, ihn aus der Fassung zu bringen.
Sie bogen um eine Ecke und standen vor einem riesigen Steinportal, das im Gegensatz zum umliegenden roten Gestein grau und tot aussah. Es bestand aus einem einzigen Felsblock und paßte genau in die Öffnung. Es besaß einen hölzernen Riegel, an dem wiederum ein großes Schloß hing.
Pausho suchte in ihrer Rocktasche und förderte schließlich einen Schlüssel zutage. Sie drehte ihn im Schloß und zog daran.
Mit lautem Klirren fiel das Schloß auf den Boden.
Dann kämpfte Pausho mit dem schweren Riegel, hob ihn an, stemmte ihn heraus und legte ihn neben dem Portal auf den Boden. Matthias wollte ihr helfen, aber Zak hielt ihn am Ärmel zurück.
Die Fackel warf blutrote Schatten an die Wand. Das Klirren des Schlosses und das Poltern des Riegels hallten in dem kleinen Vorraum wider. Auf einmal fühlte Matthias sich nicht mehr sehr wohl in seiner Haut.
Pausho drückte die Tür auf. Sie schrammte knapp an dem Holzbalken vorbei und schlug mit lautem Knall gegen die Wand. Ein paar Sekunden lang verblaßte der Stein der Wand zu einem hellen Rosa, dann nahm er wieder sein voriges tiefes Rot an. Es sah fast so aus, als sei der Stein verletzt.
Als Matthias das sah, nahm er all seinen Mut zusammen. Sie konnten ihn genausogut hierhergelockt haben, um ihn umzubringen, statt mit ihm zusammenzuarbeiten.
Wieder schluckte er und versuchte, seine Nervosität zu unterdrücken. Er hatte längst herausgefunden, daß Pausho jede Schwäche, die er zeigte, gnadenlos ausnutzte.
Dann erinnerte er sich wieder daran, wie es sich angefühlt hatte, als sein Körper vor Energie fast überströmte. Ob er wohl immer noch auf seinen Fingerspitzen Feuer entfachen konnte?
Hier in diesem Gang, in Paushos und Zaks Gegenwart, konnte er das unmöglich überprüfen. Aber er würde nicht zögern, sich seiner Fähigkeiten zu bedienen, falls es nötig war.
Zak hatte Pausho die Hand auf die Schulter gelegt. Er sprach leise auf sie ein, aber Matthias wußte ohnehin, was er sagte. Zak erinnerte die Alte daran, daß jetzt ihre letzte Chance war umzukehren, die letzte Gelegenheit, Matthias wie einen Feind zu behandeln, nicht wie jemanden, der in die Geheimnisse ihres Gewölbes eingeweiht wurde.
Aber Pausho nahm Zak die Fackel aus der Hand und trat durch das Portal. Hinter der Schwelle blieb sie stehen und entzündete Fackeln auf beiden Seiten der Wand. Dann drehte sie sich nach Matthias um.
»Es verstößt gegen alles, was man mich gelehrt hat«, sagte sie.
»Einen Langen an diesen Ort zu führen?«
»Ja.«
»Ich habe geschworen …«
»Es ist mir egal, was du geschworen hast«, fiel sie ihm ins Wort. »Mir geht es nur darum, ob du einen Weg findest, die Eindringlinge aufzuhalten.«
»Und wenn ich keinen finde?«
Pausho warf ihm einen stechenden Blick zu, dann wandte sie sich ab und ging weiter. Zak stand neben dem Portal und beobachtete Matthias mit leisem Lächeln.
Sie konnten ihn töten. So mühelos wie einen Fey, dem man von hinten ein Schwert in den Rücken stieß. Vielleicht hatten sie aber auch andere Mittel und Wege, mit Langen
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