Fiasko
mal, sollen wir den Quintanern etwa als Götter erscheinen?“ Arago verneinte.
„Das wird sehr schwierig werden, ebendeswegen, weil wir nicht unsere Überlegenheit und auch nicht uns selber offenbaren sollten. Es geht um eine Botschaft des Guten, um die Frohe Botschaft. Ich jedenfalls lege das dem Vorschlag unseres Piloten bei, denn Märchen pflegen ja ein gutes Ende zu nehmen.“
So begannen Beratungen zweierlei Art: einerseits Erwägungen, welche Merkmale der Erde und der Quinta gemeinsam waren — Eigenschaften der Lebensumwelt und der in ihr entstandenen Pflanzen und Tiere —, andererseits die Herausfilterung derjenigen Legenden, Mythen, Überlieferungen, rituellen Praktiken und Sitten, die über Jahrtausende wechselnder historischer Epochen Dauer bewiesen, unauslöschlichen Sinn bewahrt haben.
In der ersten Gruppe der wahrscheinlichen Invarianten befanden sich: Zwiegeschlechtlichkeit, die bei Wirbeltieren mit hoher Gewißheit auftreten mußte; die Ernährung der Tiere und also auch der vernunftbegabten Geschöpfe auf dem festen Land; der Wechsel von Tag und Nacht und damit von Sonne und Mond sowie von warmen und kalten Jahreszeiten; die Existenz von Pflanzen- und Fleischfressern als Voraussetzung für die Entstehung von Beute- und Raubtieren, solchen also, die gefressen werden, und solchen, die fressen (eine Universalität des Vegetarismus war außerordentlich zu bezweifeln). Falls sich alles so verhielt, war bereits in der Protokultur die Jagd aufgetreten. Kannibalismus als Selbstverzehr, der Fang von Geschöpfen der eigenen Art, ist im Eolithikum oder Paläolithikum eine mögliche, aber nicht absolut gewisse Erscheinung, so oder so bildet die Jagd jedoch einen Universalbegriff, da sie der Entwicklungstheorie zufolge das Wachstum der Vernunft begünstigt. Die Entdeckung, daß die Affenmenschen, die Primaten unter den Tieren, die blutige Phase der Prädatisierung als das Mittel zur Beschleunigung des Gehirnzuwachses durchlaufen haben mußten, war einst auf heftigen Widerspruch gestoßen und für eine diffamierende Unterstellung gegen die Menschheit, eine misanthropische Ausgeburt des Denkens der Fürsprecher einer natürlichen Evolution erachtet worden, noch viel beleidigender als die von ihnen vertretene Verwandtschaft des Menschen mit dem Affen. Die Archäologie hatte jene These jedoch bestätigt, nachdem sie unwiderlegliche Beweise zu ihren Gunsten zusammengetragen hatte. Das Fleischfressen führt zwar nicht alle Raubtiere zur Intelligenz, es müssen sich viele spezifische Umstände erfüllen, damit es so weit kommt. Den Raubechsen des Mesozoikums fehlte viel bis zu einer Begabung mit Vernunft, es weist auch nichts darauf hin, daß die damals führenden Reptilien eine menschenähnliche Intelligenz erlangt hätten, wenn sie nicht zwischen Kreidezeit und Trias von einer Katastrophe ausgerottet worden wären, die ein riesiger Meteorit ausgelöst hatte, indem er durch eine globale Abkühlung des Klimas die Nahrungskette unterbrach.
Für die Quinta jedoch war nicht zu bezweifeln, daß es dort vernunftbegabte Wesen gab. Die kritische Frage war nicht, ob sie aus dortigen Reptilien oder einer Art entstanden waren, wie es sie auf der Erde nie gegeben hatte. Kritisch war der Typ ihrer Fortpflanzung. Gehörten sie aber weder zu den Plazentariern noch zu den Beuteltieren, so wurde ihre Zweigeschlechtlichkeit durch die Genetik bewiesen, derzufolge die biologische Evolution einer Vermehrung in dieser Form den Vorzug gibt.
Das, was der rein biologische, in den Fortpflanzungszellen enthaltene Code der Nachkommenschaft verleiht, eröffnet keine Chancen einer Kulturgenese, denn dieser Code macht Veränderungen der Arten nur in einem Tempo möglich, das auf Jahrmillionen berechnet ist. Die Beschleunigung der Gehirnzunahme erfordert eine Reduzierung der Instinkte, wie sie biologisch vererbt werden, zugunsten von Lehren, wie man sie von den Eltern erwirbt. Ein Wesen, das zur Welt kommt und dank dem angeborenen genetischen Programm „alles oder fast alles“ fürs Überleben Notwendige weiß, kann sich vortrefflich zu helfen wissen, wird aber die Lebenstaktiken nicht radikal umzustellen vermögen. Wer das aber nicht kann, ist nicht vernunftbegabt. Am Anfang waren also auch hier die Zweigeschlechtlichkeit und unweigerlich die Jagd. Um diese Anfänge aber wuchs eine Protokultur. So ist deren zweigliedriger Keim und Kern beschaffen.
Wie aber prägt er die Protokultur, wie offenbart er
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