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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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dunkel vom Metallboden des zylindrischen Raums abhoben, wiesen auf ihren bisherigen Standort hin. Das riesige Innere glich einem Hangar, der von einem Zeppelin unwahrscheinlicher Größe verlassen und einem anderen Zweck zugeführt worden war. Auf dem Kran, der an die fünfundzwanzig Stockwerke über den Gleisen der eingefahrenen Schotten von Steuerbord nach Backbord lief, gleich unter der gewölbten Decke, hingen wie weiße Fliegen die beiden Piloten, Harrach und Tempe, beide angeschnallt, damit sie in der Schwerelosigkeit nicht von einem stärkeren Luftzug von ihrem Platz geweht werden konnten. Eigentlich ließ sich auch gar nicht sagen, ob sie, obgleich es ihnen so vorkam, nach unten blickten. In dem gigantischen, menschenleeren Raum schritt gleichmäßig, schnell und unaufhörlich die Arbeit voran. Emailleglänzende, gelbe, blaue oder schwarze Automaten streckten ihre drehbaren Greifer zur Seite und nach vorn, beugten sich reihenweise wie bei einer total durchsynchronisierten Gymnastik auf und nieder, griffen nach hinten, wo andere ihnen die Bauteile zureichten.
       Sie bauten den Solaser. Es war eine siebartig durchbrochene Konstruktion von den Dimensionen eines Torpedoboots. Das zur Hälfte fertiggestellte Skelett sah aus wie der zusammengelegte, spiralenförmig gebogene Regenschirm eines Riesen, überzogen nicht mit Stoff, sondern mit übereinander gelegten Segmenten, spiegelnden Schuppen. Dadurch erinnerte das Gerat auch an einen vorsintflutlichen Fisch oder einen ausgestorbenen Meeressaurier, dessen Knochengerüst nicht von Paläontologen, sondern von Maschinen zusammengesetzt wurde. In dem von den Piloten entfernter liegenden Vorderteil, wo der Koloß seinen Kopf hatte, sprühten in Tausenden Fähnchen bläulichen Rauchs die Funken — die Wicklungen der Anker blitzten vom Laserschweißen. Der Solaser war als mit Sonnenenergie gespeister Photonenwerfer projektiert gewesen, und der eilig umprogrammierte Montagekomplex baute ihn zu einem Spiegel um, mit dem sich Funkelspielchen treiben ließen — dies allerdings im Terajoule-Bereich!
       Die Konzeption war ursprünglich der Befürchtung der Physiker entsprungen, ein neuerlicher Einsatz der Sideraltechnologie könne mit deren spezifischen, nicht nur die Gravitation betreffenden Effekten dem Planeten Hinweise bieten, die nicht wünschenswert waren, weil sie die Waffenmeister auf die Spur lenken konnten, die zum Holenbach-Intervall führte. Darum hatten sie auf die schon etwas veraltete Technik der Radiationsumformung zurückgegriffen. Der Solaser sollte, vor der Sonnenscheibe hängend, deren chaotische, weil alle Wellenbereiche umfassende Strahlung mit fächerförmig ausgebreiteten Rezeptoren auffangen und in eine monochromatische Ramme verwandeln. Fast die Hälfte der aufgenommenen Energie diente dem Solaser zur Kühlung, ohne die er von der Sonnenglut sofort verdampft wäre. Die effektive Leistung reichte dennoch aus, daß die Säule gebündelten Lichts, deren Durchmesser am Strahleraustritt zweihundert Meter und auf der Bahn der Quinta wegen der unvermeidlichen Streuung das Dreifache betrug, die Kruste des Planeten durchfahren konnte wie ein heißes Messer ein Stück Butter.
       Unter diesem weitreichenden Feuerschlag wäre die kilometerstarke Schicht der ozeanischen Gewässer bis zum Grunde aufgerissen. Der allseits auf diesen Abgrund einschießende Strudel wäre für das Lichtschwert nicht fühlbar gewesen. In den Wolken des siedenden Ozeans, neben dem der Pilz einer thermonuklearen Explosion ein Tröpfchen gewesen wäre, hatte sich der Solaser durch die unterseeische Platte und die gesamte Lithosphäre bohren und in die Quinta bis auf ein Viertel ihres Radius eindringen können. Niemand hatte die Absicht, eine solche Katastrophe hervorzurufen. Der Solaser sollte den Eisring und die Thermosphäre des Planeten streifen. Als man auch das verworfen hatte, zeigte sich, daß es gar nicht so schwer fiel, das Lichtgeschütz in einen Signalisator zu verwandeln. El Salam und Nakamura wollten auf Kosten geringstmöglichen Umbaus zwei Aufgaben zugleich lösen:
     
       Alle möglichen Adressaten mußten gleichzeitig und lesbar erreicht werden. Ein solcher — wenngleich einseitiger — Kontakt setzte als selbstverständlich voraus, daß der Planet von Geschöpfen bewohnt war, die mit einem Gesichtssinn und ausreichender Intelligenz begabt waren, um den Inhalt der Botschaft verstehen zu können.
       Die erste Bedingung hing nicht von den Absendern ab.

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