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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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hin. Tempe ließ ihn so sitzen, sagte kein Wort, als er die Messe verließ. Es gab nichts mehr zu sagen.
       Die Landung des HERMES verlief überaus spektakulär. Am vorgesehenen Punkt des Planeten niedergehend, spie das Heck der Attrappe solches Feuer, daß es, von den weit ins All entsandten Myriaden von Augen übertragen, aussah, als steche eine glühende Nadel in die milchige Wolkenmasse und zerpflücke sie in rosig leuchtende Knäuel. In dieses von den Flammen ausgebrannte Fenster tauchte das Raumschiff, bis es verschwand. Die flaumigen Zotten der Zirrocumuh wanden sich zu einer Spirale und begannen bereits das Loch in der Wolkenhülle der Quinta zu schließen, als durch die immer noch vorhandenen Lücken ein greller gelber Schein brach. Zehn Minuten brauchte das mit Lichtgeschwindigkeit ausgesandte Signal, um von dem Planeten zum echten HERMES zu gelangen, und genau nach dieser Zeit meldete sich der auf die Sexta gerichtete Sender der Attrappe zum ersten und letztenmal. Die Wolken lösten sich an jener Stelle noch einmal auf, diesmal aber langsamer und sanfter, durch den Steuerraum mit den Menschen aber ging es wie ein kurzes, unterdrücktes Stöhnen.
       Steergard, die Scheibe der Quinta mit ihrem unbefleckten Weiß im Rücken, rief GOD. „Gib mir eine Analyse der Explosion.“
       „Ich habe nur das Emissionsspektrum.“
       „Gib mir auf der Grundlage dieses Spektrums die Ursache der Explosion.“
       „Sie wird ungewiß sein.“
       „Das weiß ich.
       Los!“
       „Ich gehorche. Vier Sekunden nach Abschaltung des eigenen Schubs hat es den Reaktorkern zersprengt. Soll ich die Varianten der Ursache angeben?“
       „Ja.“
       „Erstens: Ins Heck traf ein Neutronenstrahl mit einem solchen Intervall schneller und langsamer Teilchen, daß der gesamte Reaktormantel durchschlagen wurde. Der Reaktor begann, obwohl er abgeschaltet war, als Brüter zu arbeiten, und im Plutonium lief eine exponentielle Kettenreaktion ab. Zweitens: Der Heckpanzer ist von einer Kumulationsladung mit einem kalten Anomalonsprengkopf durchschlagen worden. Soll ich die Priorität der ersten Variante nachweisen?“
       „Ja.“
     
       „Ein ballistischer Angriff hatte das gesamte Raumschiff vernichtet. Der Neutronenschlag durfte nur das Triebwerk zerstören, weil vorausgesetzt wurde, daß sich an Bord Wesen biologischer Natur befanden, die folglich durch eine Reihe strahlungssicherer Schotten vom Triebwerk getrennt sein würden. Soll ich die Spektren zeigen?“
       „Nein. Sei jetzt still.“
       Steergard merkte erst jetzt, daß er im weißen Schein der Quinta stand wie in einer Aureole. Ohne hinzusehen, schaltete er das Bild aus und schwieg eine Weile, als ordnete er in Gedanken die Worte der Maschine. „Will jemand das Wort ergreifen?“
       Nakamura hob die Brauen und sagte langsam, gleichsam mit einer von Bedauern geprägten Hochachtung, geradezu zeremoniell: „Ich stehe zur Hypothese Nummer eins. Das Raumschiff sollte sein Triebwerk einbüßen, die Besatzung aber heil davonkommen. Möglicherweise mit Verletzungen, aber lebendig. Von Leichen erfährt man nicht viel.“
       „Ist jemand anderer Ansicht?“ fragte Steergard. Alle schwiegen, wie erstarrt nicht so sehr angesichts des Vorgegangenen und Gesagten als vor dem Gesichtsausdruck des Kommandanten.
       „Na los“, sagte Steergard, er brachte kaum den Mund auf, als hätte ihn die Kieferklemme befallen. „Los, ihr Tauben, ihr Prediger von Eintracht und Barmherzigkeit — meldet euch zu Wort, gebt uns und ihnen die Chance der Rettung!
       Überzeugt mich, daß wir umkehren und der Erde den lumpigen Trost bringen müssen, daß es noch schlechtere Welten gibt! Und daß man sie getrost dem eigenen Verderben überlassen kann. Für den Zeitraum, in dem ihr mich zu überreden versucht, bin ich nicht euer Kommandant. Ich bin der Enkel eines Lofotenfischers, ein ungehobelter Kerl, der es weiter gebracht hat, als es ihm zugestanden hätte. Ich höre mir alle Argumente an, auch Beschimpfungen, falls ihr sie für angebracht haltet. Was ich höre, wird aus dem Gedächtnis von GOD getilgt. Ich höre.“
       „Das ist kein Ausdruck der Demut, sondern der Hoffart. Daran ändert sich auch nichts, wenn man symbolisch die Würde des Kommandanten niederlegt.“ Arago war, als wollte er besser gehört werden, aus der Reihe der anderen herausgetreten.
       „Soll aber jeder bis zuletzt nach seinem Gewissen handeln — sei es

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