Fiasko
vernunftbegabter Wesen, du lieber Gott! Wenn du schon jemanden verwünschen mußt, dann fluche auf SETI und CETI und auf dich, weil du unbedingt ein „Psychonaut“ werden wolltest.
Am besten aber hältst du die Schnauze. Das ist das Gescheiteste, was du jetzt machen kannst.“ Am Nachmittag wurde SESAM mitsamt den Landefähren an Bord genommen. Arago verlangte von Steergard eine gemeinsame Beratung über das weitere Vorgehen. Der Kommandant schlug es rundweg ab. Keine Beratungen und Sitzungen, solange die definitive Phase des Programms nicht abgeschlossen war.
Mit einem Gamma-Laser abgestimmt, verschwand der falsche HERMES um die Wölbune der Sexta und ging mit voller Kraft zur Quinta, mit der er die verabredeten Signale tauschte.
Tempe hatte nach seinem Dienst den Kommandanten sprechen wollen und bekam eine Absage. Steergard saß allein in seiner Kabine und ließ niemanden zu sich. Der Pilot fuhr nach mittschiffs, hatte aber doch nicht den Mut, den Priester aufzusuchen. Auf halbem Wege kehrte er um und erkundigte sich über den Intercom nach Gerbert, denn dieser war nicht in seiner Kabine. Er saß mit Kirsting und Nakamura in der Messe. Das Raumschiff manövrierte, um einen gewissen Schub zu entwickeln; es blieb im Schatten der Sexta, und an Bord herrschte eine leichte Schwerkraft. Als Tempe sah, wie die anderen aßen, wurde ihm bewußt, daß er seit Sonnenaufgang nichts mehr zu sich genommen hatte. Er nahm sich Braten mit Reis und setzte sich schweigend zu den anderen, aber kaum daß er das Fleisch mit der Gabel berührt hatte, wurde ihm zum erstenmal im Leben speiübel vor diesen grauen Fasern. Etwas essen mußte er aber, und so nahm er, nachdem er seinen Teller in der Absauganlage der Küche geleert hatte, aus dem Automaten einen aufgewärmten Vitaminbrei — um wenigstens etwas im Magen zu haben. Niemand sprach ein Wort zu ihm. Erst als er Teller und Besteck in den Geschirrspülautomaten geworfen hatte, winkte Nakamura ihn mit seinem feinen Lächeln zu sich. Tempe setzte sich, der Japaner wischte sich mit einer Papierserviette den Mund. Sie warteten, bis Kirsting gegangen war und sie nur zu dritt mit Gerbert dasaßen. Der neigte, wie es seine Art war, den Kopf mit den glattgekämmten schwarzen Haaren zur Seite und sah den Piloten abwartend an. Tempe zuckte die Achseln zum Zeichen, daß er nichts, aber auch gar nichts zu sagen hatte.
„Die Welt verschwindet nicht dadurch, daß wir ihr den Rücken kehren“, sagte unvermittelt der Physiker. „Wo das Denken ist, ist auch die Grausamkeit. Beides geht miteinander her. Da man es nicht ändern kann, muß man es akzeptieren.“
„Warum läßt der Kommandant denn keinen zu sich?“ entfuhr es dem Piloten.
„Das ist sein gutes Recht“, erwiderte ungerührt der Japaner. „Der Kommandant muß — wie jeder von uns — sein Gesicht wahren. Auch wenn er allein ist. Doktor Gerbert leidet, der Pilot leidet, ich aber leide nicht. An Pater Arago wage ich nicht zu erinnern.“
Tempe verstand nicht. „Wieso… wieso leiden Sie nicht?“
„Ich habe kein Recht darauf“, erklärte Nakamura gelassen. „Die moderne Physik erfordert eine Vorstellungskraft, die vor nichts zurückscheut. Das ist nicht mein Verdienst, sondern eine Gabe meiner Vorfahren. Ich bin weder Prophet noch Hellseher. Ich bin rücksichtslos, wenn es gilt, rücksichtslos zu sein. Andernfalls dürfte ich nicht einmal Fleisch essen. Jemand hat einmal gesagt: Nemo me impune lacessit.
Schämt er sich dessen jetzt?“ Der Pilot wurde blaß. „Nein.“
„Das ist gut so. Ihr Freund und Kollege Harrach führt in der Maske des großen Zorns ein Theaterstück auf wie die Dämonen in unserem Kabuki-Theater. Man darf gegen die anderen weder Zorn noch Verzweiflung, weder Erbarmen noch Rache fühlen. Und Sie wissen jetzt schon selber, warum. Oder irre ich mich?“
„Nein“, sagte Tempe. „Wir haben dazu nicht das Recht.“
„Eben. Die Unterhaltung ist beendet.“ Er sah zur Uhr. „In siebenunddreißig Stunden setzt die HERMES auf.
Wer wird dann Dienst haben?“
„Wir beide. Laut Befehl.“
„Ihr werdet nicht allein sein.“
Nakamura stand auf, verneigte sich und ging. In der leeren Messe summte leise die Geschirrspülmaschine, die Klimaanlage erzeugte einen leichten Luftzug. Der Pilot sah verstohlen zu dem Arzt hin, der immer noch reglos dasaß: den Kopf in die Hände gestützt, starrte er vor sich
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