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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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„Es geht um das Schicksal der Zivilisationen oberhalb des Fensters. Da Sie nun schon einmal in unseren Streit hineingeplatzt sind, will ich den Beginn zusammenfassen. Sie wissen bereits, daß sich die alten Begriffe über CETI inzwischen gewandelt haben. Selbst wenn es in der Galaxis eine Million Zivilisationen gäbe, wäre ihre Dauer zeitlich so gestreut, daß man sich mit den Herren eines Planeten nicht erst einmal verständigen kann, um sie nachher zu besuchen. Die Zivilisationen sind schwerer zu erwischen als Eintagsfliegen. Darum suchen wir nicht den fertigen Schmetterling, sondern nur seine Puppe. Wissen Sie, was das „Fenster des Kontakts“ ist?“
       „Ja.“
       „Nun sehen Sie! Nachdem wir zweihundert Millionen Sterne durchgesiebt haben, sind wir auf elf Millionen Kandidaten gekommen. Die Mehrzahl hat entweder tote Planeten, oder aber sie sind außerhalb des Fensters, darüber oder darunter.
       Stell dir“, ging er unverhofft zum Du über, „bloß mal vor, du verliebst dich in das Bild eines sechzehnjährigen Mädchens und machst dich auf, sie zu bekommen.
       Leider muß die Reise aber fünfzig Jahre dauern. Du wirst also vor einer alten Frau oder an einem Grab stehen. Schickst du deine Liebeserklärung aber mit der Post, so wirst du selber alt, ehe du die erste Antwort bekommst. Das ist in nuce die ursprüngliche Konzeption von CETI. Man kann in mehrhundertjährigen Intervallen kein Gespräch führen.“
       „Wir fliegen also zu solch einer Puppe?“
       fragte er, den sie seit einiger Zeit Mark nannten. Jetzt schoß es ihm plötzlich durch den Kopf, ob das nicht von dem Mönch ausgegangen sein könnte, der gleich ihm Besatzungsmitglied war und auch wieder nicht.
       „Niemand weiß, was wir vorfinden“, sagte Arago. Lauger schien von der Frage befriedigt. „Gewiß. Lebensspendende Planeten erkennen wir an der Zusammensetzung der Atmosphären. Ihr Katalog zählt viele Tausende in unserer Galaxis. Fast dreißig habe wir ausgesiebt, sie bieten Hoffnung.“
       „Vernunft?“
       „Die Vernunft in den Windeln ist unsichtbar. Wenn sie reift, entweicht sie aus dem Fenster. Sie muß vorher erhascht werden. Woher wissen wir, daß unser Ziel der Mühe wert ist? Nun, es geht um die Quinta, den fünften Planeten von Zeta Harpyiae. Wir verfügen über eine Reihe von Daten…“ An dubio pro reo“, sagte der Dominikaner. „Und wen sehen Sie als Angeklagten?“ fragte Lauger und ließ wieder keine Antwort zu, indem er fortfuhr: „Das erste kosmische Symptom der Vernunft ist der Funk. Lange vor der Radioastronomie, nun, nicht sehr lange, etwa hundert Jahre. Ein Planet mit Sendern kann entdeckt werden, sobald ihre Gesamtleistung in den Gigawatt-Bereich kommt. Die Quinta emittiert im Kurz- und Ultrakurzwellenbereich weniger als ihre Sonne, aber phänomenal viel für einen toten Planeten. Für einen, der die Elektronik beherrscht, ist es nur Durchschnitt, denn er bleibt unter dem Niveau der Sonnengeräusche. Etwas aber gibt es dort, was mit Funk zu tun hat und unterhalb einer Schwelle steht. Wir haben dafür Beweise.“
       „Indizien“, korrigierte ihn erneut der Apostolische Gesandte.
     
       „Sogar noch weniger- ein einziges Indiz“, stimmte Lauger zu. „Aber dafür ist es um so wichtiger. Auf der Quinta sind punktförmige elektromagnetische Blitze beobachtet worden, und einen hat das Spektroskop unserer Mars-Orbiter in semer ganzen Emission aufgezeichnet. Die beiden Orbiter haben die Erde viel gekostet: unsere Expedition.“
       „Atombomben?“ fragte der Mann, der sich mit dem Vornamen Mark abgefunden hatte. „Nein, eher die Einleitung planetarer Technik. Die Sachen waren thermonuklear sauber. Sollten die Dinge auf der Quinta wie auf der Erde ablaufen, so hätte es mit Aktiniden begonnen. Mehr noch, diese Blitze erschienen nur innerhalb des Polarkreises, also in der dortigen Arktis oder Antarktis. Man kann auf diese Weise das Festlandeis zum Schmelzen bringen. Doch nicht dann sind wir uns uneinig.“ Er sah den Dominikaner an. „Es geht darum, ob wir durch unsere Ankunft dort Schaden anrichten können. Pater Arago hält es für gewiß. Ich bin ähnlicher Ansicht.“
       „Wo ist dann der Unterschied?“
       „Ich meine, daß das Spiel der Mühe wert ist. Es ist unmöglich, die Welt zu erkennen, ohne Schaden anzurichten.“ Er begann den Sinn der Kontroverse zu begreifen. Er vergaß, wer er war, und spürte wieder das Draufgängertum von einst.

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