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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Phänomenen um das Billionenfache größerer Kräfte. Weiter nichts.
       Die Welt ist nach universellen Regeln eingerichtet, die man als Naturgesetze bezeichnet, aber die gleiche Regel kann in verschiedener Intensität auftreten.
       Für jemanden beispielsweise, der in die Tiefe eines Schwarzen Lochs geraten ist, gewinnt der Raum das Aussehen der Zeit, denn er kann nicht mehr zurück, genausowenig, wie du dich in der irdischen Zeit rückwärts, in die Vergangenheit bewegen kannst. Die Gefühle eines solchen Tauchers kann man sich nicht vorstellen, selbst wenn man voraussetzt, daß er nicht sofort unter dem Horizont der Vorgänge zugrunde geht. Dennoch halte ich die Welt für freundlich gesonnen, da wir imstande sind, uns dessen zu bemächtigen, was zu unseren Sinnen im Widerspruch steht. Denke übrigens nur mal daran, daß ein Kind eine Sprache beherrschen lernt, ohne weder die Grundsätze von Grammatik und Syntax noch die den Sprechenden verborgenen inneren Widersprüche der Sprache zu verstehen. Du hast mich hier zum Philosophieren angestiftet. Der Mensch dürstet nach endgültigen Wahrheiten. Ich denke, daß jede sterbliche Vernunft sich so verhält.
       Was ist das aber — die endgültige Wahrheit? Sie ist das Ende des Weges, wo es weder weitere Geheimnisse noch weitere Hoffnungen gibt, wo man nach nichts mehr fragen kann, weil alle Antworten gegeben sind. So einen Ort gibt es nicht. Der Kosmos ist ein Labyrinth, das aus Labyrinthen errichtet ist. In jedem Öffnet sich das nächste. Wo wir selbst nicht eindringen können, gelangen wir mit der Mathematik hin. Aus ihr bauen wir die Vehikel, mit denen wir uns in den unmenschlichen Räumen der Welt bewegen. Aus der Mathematik lassen sich ebenso außerkosmische Welten konstruieren, ohne Rücksicht darauf, ob sie existieren.
       Außerdem kann man die Mathematik und ihre Welten verwerfen und durch den Glauben in eine jenseitige Welt eintreten. Damit befassen sich Menschen vom Schlage des Pater Arago. Der Unterschied zwischen mir und ihm ist der zwischen der Erreich barkeit der Verwirklichung bestimmter Dinge und der Hoffnung auf die Verwirklichung bestimmter Dinge. Mein Fachgebiet umfaßt das Erreichbare, seines das nur Erhoffte und von Angesicht zu Angesicht erst nach dem Tod Erreichbare.
       Was hast du nach dem Tod erlangt? Was hast du gesehen?“
       „Nichts.“
     
       „Eben darin besteht die differentia specifica zwischen Wissen und Glauben.
       Soviel ich weiß, hat die Tatsache, daß die Wiederbelebten nichts gesehen haben, nicht an den Dogmen des Glaubens gerüttelt. Die neuere christliche Eschatologie behauptet, der Wiedererweckte vergesse seinen Aufenthalt im Jenseits. Dies sei — ich drücke es mal auf meine Art aus — ein Akt der göttlichen Zensur, die den Menschen verbietet, zwischen der Welt und dem Jenseits hin und her zu springen.
       Credenti non fit injuria. Wenn es sich, wie das Beispiel Aragos beweist, für einen so elastischen Glauben zu leben lohnt, um wieviel leichter nimmt man die Widersprüche für bare Münze, dank derer du zu den Quintanern kommen wirst.
       Vertraue der Physik so, wie Arago seinem Glauben vertraut. Die Physik ist im Gegensatz zum Glauben fehlbar. Du hast die Wahl. Überleg es dir. Und nun geh, ich habe zu arbeiten.“
       Es ging auf Mitternacht, als er wieder in seine Kajüte trat. Er dachte abwechselnd über Lauger und den Mönch nach. Der Physiker war an seinem Platz, aber der andere? Worauf hoffte, worauf baute er? Er hatte doch keinen missionarischen Auftrag? War wirklich schon ein Überbau der Theologie für die nichtmenschlichen Gaben und Geschöpfe Gottes entstanden, und hielt sich Arago für seinen Sprecher? Warum hatte er bei dem Gespräch gesagt, dort könne das Böse herrschen?
       Erst jetzt begriff er das Grauen, mit dem dieser Mann offenbar leben mußte.
       Nicht um sich — um seinen Glauben fürchtete er. Er konnte die Erlösung als eine der Menschheit geltende Gnade ansehen und dabei an einer Expedition zu nichtmenschlichen Wesen teilnehmen — dorthin also, wohin sein Evangelium nicht reichte. So mochte er denken, und da er an die göttliche Allgegenwart glaubte, glaubte er damit an die Allgegenwart des personifizierten Bösen, denn der Dämon, der Christus versucht hatte, existierte bereits vor der Verkündigung und der Empfängnis. Führte er die Dogmen, denen er lebte, also mit sich, um sie aufs Spiel zu setzen?
       Resigniert schüttelte der

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