Fiasko
Innern zu begraben. In etwa erinnerte das an den Flug eines Ballons, der um den Preis der abgeworfenen Ballastsäcke nicht an Höhe verliert — nur in etwa allerdings, denn kein Steuermann hätte es geschafft, dieses Spiel zu lenken.
Der vielgliedrige Rumpf des Raumschiffs mit seinen durch Gelenke verbundenen Segmenten ähnelte von fern einem Ringelwurm, der sich zwar meilenlang dahinwand, vor dem ungeheuren Raum des Schwarzen Lochs aber nur als weißes Komma erschien.
Für einen Beobachter wäre das sicher ein fesselnder Anblick gewesen, aber einen solchen gab es nicht und konnte es nicht geben, denn ORPHEUS, der tapfere Gefährte, der der EURYDIKE die Hölle öffnen sollte, war unbemannt. Er stand über Laser in ständigem Kontakt mit der gigantischen Larve und wartete auf das Signal, das ihn in eine Resonanzbombe, den mit einmaligem Impuls ausgestatteten GRACER verwandelte. Ein ähnlicher, wenngleich tausendmal kleinerer GRACER war im Sonnensystem getestet, der Saturn damit eines Mondes beraubt worden, eines der größten nach dem Titan. Da sich auch der Laserkontakt zu verschlechtern begann, erhielt ORPHEUS sein definitives Aktionsprogramm, er verstummte gehorsam und löste in den Zentren seines Maschinenraums den Countdown aus. Er hatte sich dem Kollapsar stärker genähert als die EURY-D1KE, das Licht verwischte und beugte sich gleich allen anderen ihm verwandten Wellenarten, wurde über das Infrarot in Funk- und Außerfunkwellenbereiche gedrängt. Als der Hades Zeit und Raum seiner Umgebung auf die Folter nahm und unter seinem zerstörerischen Horizont in Brei verwandelte, nahm die EURYDIKE die letzten, kritischen Beobachtungen der Quinta vor, des fünften Planeten der sechsten Sonne der Harpyie, des eigentlichen Ziels der Expedition. Zuvor weit entfernt von dem Kollapsar in den Raum geschossene astromatische Orbiter bildeten ein Planetoskop mit der nicht geringzuschätzenden Apertur von zwei astronomischen Einheiten. Das Bild oder vielmehr das dreidimensionale Modell der Quinta sammelte sich im Holovi-sor als zunächst dunstige, blaugefleckte, bewölkte Kugel, die in der Halle des Observatoriums zwischen dessen mehrstöckigen Galerien hing.
Dort kam jedoch kaum jemand hin. Das Holoskop war angeblich im Observatorium montiert worden, weil es der Expedition von einem japanischen Produzenten gespendet worden war, der sich davon die notwendige Reklame erhoffte, um es auch irdischen Planetarien anbieten zu können. Als Schauspiel war es sehr effektvoll, den Astrophysikern nützte es eigentlich nichts. Sie hatten es hingenommen, weil die gesamte Apparatur die Wände der Bughalle einnahm, so daß das Planetoskop, unter der durchsichtigen Kugel aufgebaut, als Verzierung die leere Mitte ausfüllte. Die darin erscheinenden Bilder von Sternennebel oder Planeten wurden allenfalls von Besuchern angeschaut, die herkamen, um wenigstens auf diese Weise die kosmische Landschaft zu sehen, die jenseits des fensterlosen Rumpfes der EURYDIKE verborgen lag.
Der Verunglückte vom Titan trug inzwischen außer dem Vornamen Mark einen Nachnamen: Tempe. So hatte das Tal geheißen, in dem Orpheus zum erstenmal der Eurydike begegnet war. Ter Horab hatte ihn auf der vertraulichen Zusammenkunft der vervollständigten Kundschaftercrew so genannt, ohne ihm aber diesen Namen eigentlich gegeben zu haben. Er war bei dieser Gelegenheit zum zweiten Schichtpiloten des HERMES ernannt worden, der Kommandant aber hatte getan, als wüßte er von nichts. Lauger leugnete die Urheberschaft oder wich einer Antwort vielmehr mit dem Scherz aus, sie alle seien wohl gleichermaßen den Geistern erlegen, die man aus der griechischen Mythologie herbeigerufen habe.
Solange es die auch bei nachlassender Geschwindigkeit konstante Schwerkraft erlaubt hatte, war er oft bei Lauger gewesen und hatte dessen Debatten mit den Astrophysikern Gold und Nakamura zugehört. Meistens drehten sie sich um das Rätsel der Zivilisationen „oberhalb des Fensters“, solcher also, die den Hauptstrang des Diagramms nach Hortega-Neyssel verlassen hatten. Da über ihr Schicksal nichts bekannt war, bildeten sie keine geringe Herausforderung für die Phantasie. Die Meinungen, die die meisten von diesem Geheimnis Faszinierten hegten, ließen sich grob in zwei Gruppen einteilen, je nachdem, ob das Schweigen seine Ursachen in der Soziologie oder in der Kosmologie hatte. Gold, obzwar Physiker, hielt zu einer soziologischen, noch dazu sehr extremen
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