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Fieber an Bord

Fieber an Bord

Titel: Fieber an Bord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Eltern geschickt, die ihnen Erfahrung und Chancen verschaffen wollten, welche in Friedenszeiten sonst rar waren, konnten nach zweijährigem Dienst fast als Unterleutnants gelten. Swift und Pyper waren siebzehn und dachten schon an ihre Offiziersprüfung. Fitzmaurice, ein mopsgesichtiger Junge von sechzehn, hatte seine ursprüngliche Arroganz fast abgelegt. Er kam aus einer reichen Familie und hatte sich anscheinend eingebildet, auf der Tempes t erwarte ihn eine Art Vergnügungsreise. Herrick und Lakey hatten ihn eines Besseren belehrt.
    Der jüngste Kadett, Evelyn Romney, war fünfzehn. Sie alle unterschieden sich von den Zwölf- und Dreizehnjährigen, die man auf vielen anderen Schiffen fand, dachte Bolitho. Romney hatte sich am wenigsten entwickelt. Er war von Natur aus schüchtern, und ihm fehlte das Durchsetzungsvermögen, das er im Umgang mit viel älteren Männern brauchte. Doch während Fitzmaurice seine Familie verfluchte, weil sie ihn auf See geschickt hatte, schien der weit weniger talentierte Romney verzweifelt entschlossen, sich zu bewähren. Offensichtlich liebte er die Marine, und sein Kampf gegen die Schüchternheit verdiente Mitgefühl. Bolitho hörte den Marschtritt der Marinesoldaten, die von ihrem täglichen Drill auf dem Vorschiff und in den Masten zurückkehrten. Prideaux war bestimmt nicht dabei; Schweiß und Mühe überließ er dem Sergeanten. Später würde er dann auftauchen und kritisieren. Bolitho hatte ihn nie ein Wort der Ermutigung oder des Lobes äußern hören, nicht einmal, wenn einer seiner Soldaten befördert worden war.
    Isaac Toby war der Schiffszimmermann: beleibt, langsam und recht stoisch, erinnerte er an eine räudige Eule. Aber er war ein Meister seiner Zunft und führte mit seiner kleinen Arbeitsgruppe alle Reparaturarbeiten prompt aus, obwohl er bei einem aus Teakholz gebauten Schiff gewöhnlich andere Sorgen hatte. Im Augenblick war er mit dem Bau einer zusätzlichen Jolle beschäftigt. Das Ganze hatte als eine Art Witz begonnen, mit einer beiläufigen Bemerkung von Brass, dem Stückmeister, über die Vergeudung, als ein Matrose dabei ertappt wurde, wie er Holzabfälle über Bord warf. Toby hatte das als persönliche Herausforderung angesehen und versichert, er würde eigenhändig aus allen Abfällen, die Brass auftrieb, ein Boot bauen. Nun war das Boot fast fertig, und selbst Brass mußte zugeben, daß es die alte Jolle der Tempes t übertraf.
    Bolitho lehnte sich zurück und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.
    Cheadle nahm die letzten Dokumente auf und vergewisserte sich, daß die Unterschriften trocken waren. Der Schreiber war wie viele seiner Art ein seltsamer, in sich gekehrter Mann mit tiefliegenden Augen und so großen, ungleichmäßigen Zähnen, daß er ständig zu lächeln schien. Als Bolitho etwas von ihm über seine Vergangenheit erfahren wollte, hatte er jedes Wort einzeln aus ihm herausholen müssen. Cheadle war von einem anderen Schiff, das in Bombay umgerüstet worden war, zur Tempest versetzt worden. Der Kapitän hatte Bolitho versichert, er sei ein guter Schreiber, nur etwas schweigsam, und hätte früher in einem Krämerladen in Canterbury gearbeitet, wo er seinen Stolz dareinsetzte, die ›besseren Herrschaften‹ zu bedienen. Doch in zwei Jahren des täglichen Kontakts hatte Bolitho darüber noch nichts von Cheadle zu hören bekommen.
    Noddall trat ein, nachdem der Schreiber gegangen war, und stellte ein Glas Wein auf den Schreibtisch. Da frisches Wasser knapp und der Nachschub eine ständige Sorge war, wich Bolitho im allgemeinen auf Wein aus. Er erinnerte sich, wie er zu der berühmten Weinhandlung in St. James begleitet worden war, wo er vor seiner Reise mit der Undine ans andere Ende der Welt reichlich eingekauft hatte. Im Kampf mit der Argu s war aus dem Wein eine Pfütze voller Glassplitter geworden, aber die Erinnerung war ihm geblieben. Er berührte die Uhr in seiner Tasche. Wie an so vieles andere.
    Allday kam aus der Schlafkabine herüber und musterte ihn ernst. »Glauben Sie, daß wir sie noch finden, Captain?«
    Er hielt die Arme über der breiten Brust verschränkt, benahm sich ganz entspannt. Allday war eben mehr ein Gefährte als ein Untergebener. Wieviel hatten sie schon gemeinsam durchgestanden! Bolitho fragte sich oft, ob Allday England vermißte. Doch ganz bestimmt vermißte er die englischen Mädchen. Allday hatte immer Glück bei ihnen gehabt und war mehr als einmal froh, wenn nicht gar versessen darauf gewesen, aus Furcht vor

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