Fieber an Bord
einem Ehemann oder erzürnten Vater schleunigst davonsegeln zu können.
»Hoffentlich.«
Bolitho schlürfte Wein: billig und schal. Nicht wie der französische, den Herrick für ihn besorgt hatte. Die Garnison in Sydney hatte diesen Vorrat wahrscheinlich von einem französischen Schiff oder einem ehrgeizigen Händler angekauft. Wer bereit war, Vermögen und Leben gegen wilde Eingeborene, Piraten und die ständige Gefahr des Schirrbruchs zu riskieren, der konnte hier alles an den Mann bringen.
Im Kielwasser von Seefahrern und Forschern wie Cook waren andere gekommen. Mancher Insel, auf der die Eingeborenen zuvor primitiv, aber idyllisch gelebt hatten, brachten die Schiffe Krankheit und Tod. Diese Handel treibenden Abenteurer hatten die Stämme durch ihr Angebot von schäbigen Waren und billigen Stoffen gegeneinandergehetzt und dafür sichere Ankerplätze eingehandelt.
Und nun bezahlte jeder dafür. Bald würde ein habgieriger Händler anfangen, Eingeborene mit Musketen zu beliefern. Bolitho hatte es in Amerika erlebt, wo die Franzosen Indianer zum Kampf gegen die Briten ausgebildet hatten, und die Briten hatten mit Gleichem erwidert.
Später, als die Unabhängigkeit gewonnen und Briten wie Franzosen aus dem Land verschwunden waren, hatten die Amerikaner eine neue Armee in ihrer Mitte vorgefunden: indianische Krieger, die – wenn sie sich zusammenschlossen – die Siedler ins Meer zurücktreiben und die neuen Häfen und Städte isolieren konnten.
»Ich bezweifle sehr, daß wir an der Eurota s vorübergesegelt sind, ohne sie zu sichten«, fuhr Bolitho fort. »Wir hatten den Ausguck doppelt besetzt und bei Nacht so viele Lichter gesetzt, daß uns selbst ein Blinder hätte sehen müssen. Ihr Kapitän muß wissen, daß man sich seiner Verspätung wegen Sorgen macht; er würde versuchen, mit jedem Schiff Kontakt aufzunehmen.«
Alldays Augen waren nachdenklich in die Ferne gerichtet, durchs Heckfenster auf die See hinaus. Da der Wind von Backbord kam, krängte das Schiff leicht nach Steuerbord, so daß der Horizont schräg zu liegen schien. Wie die meisten Seeleute konnte Allday ohne zu blinzeln aufs Meer hinaussehen, obwohl es grell funkelte wie eine Wüste voller Edelsteine.
»Ich nehme an, daß sie Land anliefen, um Frischwasser zu übernehmen. Ihre Vorräte können verdorben sein, wie es auch uns mal passiert ist.« Er schnitt eine Grimasse. »Mit einem Schiff voll Deportierter kann der Kapitän sich nicht noch mehr Sorgen aufladen.«
»Das ist richtig.«
Bolitho senkte den Blick; er erinnerte sich daran, wie Viola ausgesehen hatte. An ihre Sorglosigkeit gegenüber einer Entdeckung und dem Risiko, in Madras oder später in dieser elenden, fieberverseuchten Kolonie, wo Bolithos Schiff einem weiteren von diesen Gouverneuren hatte Respekt verschaffen sollen. Oft war ihm beim Gedanken an die Gefahr der Schweiß ausgebrochen. Jederzeit konnte die Tür aufgestoßen werden, dann mußte er ihr Gesicht und ihre Schultern zu verbergen versuchen. Aber niemand war gekommen, sie in ihrer Leidenschaft zu stören; nun war der Schmerz über ihren Verlust nur noch schwerer zu ertragen. Aber auch der Zorn. Was dachte James Raymond sich dabei, Viola wieder hierher zu bringen? Für europäische Frauen war dieses Klima verheerend, außerdem bestand dazu keine Notwendigkeit. Raymonds großes Haus, seine Stellung, alles, was er auf Kosten anderer erworben hatte, hätten es ihm leicht ermöglicht, Viola sicher und behaglich unter wohlwollenden Menschen und in vertrauter Umgebung zurückzulassen.
Es klopfte, und Borlase spähte herein, das Gesicht etwas weniger sanft als üblich.
»Ich wollte nur sehen, ob ich Sie sprechen kann, Sir.« Er warf einen schnellen Blick auf Allday. »Aber wenn ich ungelegen komme...«
Bolitho winkte, und nachdem Allday die Kajüte verlassen hatte, sagte er: »Fassen Sie sich kurz, Mr. Borlase, ich möchte noch vor Mittag mit den Zwölfpfündern exerzieren.« Er wußte, weshalb der Leutnant gekommen war, und auch das deprimierte ihn.
Borlase leckte sich die Lippen. »Ich hatte Anlaß, einen Matrosen ins Logbuch eintragen zu lassen, Sir.«
»Peterson, ich weiß.«
Leutnant Borlase verriet kurz seine Überraschung, ehe er hastig fortfuhr: »Verstehe, Sir. Aber ich erwarte, daß Mr. Herrick eine angemessene Strafe verhängte. Peterson war herausfordernd und unbotmäßig gegenüber einem Vorgesetzten gewesen, und zwölf Peitschenhiebe sind das mindeste, was er verdient!«
Beim Sprechen hatten sich seine
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