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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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Italien
zog, hatte der Löwe soeben auf Gegenkurs geschwenkt. Philipp reagierte, indem
er das welfische Kloster Weingarten dem Erdboden gleichmachte, einschließlich
eines gründlichen Gemetzels an den heiligen Brüdern. Das hielt Papst Alexander
III. zwar nicht davon ab, ihn als Kölner Erzbischof zu bestätigen und mit
Barbarossa Frieden zu schließen, aber der Löwe, Verlierer auf der ganzen Linie,
kochte vor Wut und schlug nun seinerseits den Staufern die Schädel ein,
wohlweislich aus dem Hinterhalt. Philipp nahm das zum Anlass, Westfalen zu
verwüsten. Höfe und Klöster brannten. Der arg in Bedrängnis geratene Löwe
entsann sich besserer Tage und versuchte, sich bei Barbarossa wieder
einzuschmeicheln, was ihm durch eigene Schuld gründlich misslang. Ungefähr zu
dieser Zeit mussten Gespräche zwischen Barbarossa und Philipp stattgefunden
haben, was eine eventuelle Neuverteilung der Herzogtümer des Löwen anbetraf,
jedenfalls witterte Philipp Morgenluft und zog nun erst recht mit Heerscharen
Bewaffneter plündernd und brandschatzend gegen den Löwen, um ihn endgültig in
die Knie zu zwingen.
    Wie es aussah, konnte der Löwe nur noch beten.
    Dann jedoch machte Philipp einen Fehler. Er wurde größenwahnsinnig
und verscherzte es sich mit seinen Verbündeten, so dass sie ihn mitten in
seinem Feldzug gegen den Löwen sitzen ließen. Nur das Kölner Fußvolk blieb ihm,
aber damit alleine war kein Krieg zu gewinnen. Zerknirscht befahl er den
Rückzug. Die allgemein schlechte Stimmung führte zum Desaster. Die kölnischen
Streiter für den Herrn erschlugen jeden, der das Pech hatte, gerade in
Sichtweite zu sein. Damit forcierten sie die Gefahr, dass sich die Kämpfe
irgendwann auf Kölner Boden fortsetzten, beträchtlich. Was, wie man wusste, vor
allem wieder das Leben jener kosten würde, die nichts weniger gewollt hatten als
diesen vermaledeiten Unsinn von Krieg.
    Jetzt aber hatten sie ihn am Hals.
    In dieser Situation wurde es dem Kölner Stadtrat, der Philipp von
Heinsberg bis dahin unterstützt hatte, endgültig zu bunt. Der Erzbischof war
gerade nicht in der Stadt. Sofort begann man mit dem Bau einer neuen,
erweiterten Befestigungsanlage, um die Stadt zu schützen, was von Rechts wegen
nur dem Erzbischof oder dem Kaiser zustand. Wie erwartet gab es einen
Riesenkrach. Philipp von Heinsberg tobte, verbot die Mauer, wurde ignoriert,
schrie nach Barbarossa und ließ sich am Ende durch die Zahlung von zweitausend
Mark besänftigen.
    Damit stand der großen Mauer nichts mehr im Wege.
    Jetzt, anno domini 1260 und gut achtzig Jahre nach Baubeginn,
erklärte der Rat der Stadt das Werk für vollendet. Mit einer Länge von
siebeneinhalb Kilometern, zwölf gewaltigen Torburgen und zweiundfünfzig
Wehrtürmen stellte sie jede andere Stadtmauer im wortwörtlichsten Sinne in den
Schatten. Ihr Lauf umfasste nicht nur das städtische Leben, sondern auch einen
erheblichen Teil der Ländereien und Klosteranlagen, die bis dahin ungeschützt
vor den Toren Kölns gelegen hatten. An den Rheinufern durch den wehrhaften
Bayenturm und die Kunibertspforte begrenzt, zog sie sich halbkreisförmig um die
Liegenschaften von St. Severin und St. Pantaleon im Süden, St. Mauritius im
Westen und St. Gereon auf der nordwestlichen Seite, schloss viele der
ertragreichen Obst- und Rebgärten mit ein und verwandelte die Stadt in eine
eigene, beinahe autarke Welt.
    Für die Kölner war die Mauer das Resultat einer klugen und mutigen
Sicherheitspolitik, die ihr Selbstbewusstsein zum Leidwesen des jetzigen
Erzbischofs Konrad von Hochstaden ungemein stärkte.
    Für Jacop war sie ein Segen.
    Weder verstand er sonderlich viel von Politik noch wollte er etwas
davon verstehen. Aber die Konstrukteure der Mauer hatten eine architektonische
Besonderheit erdacht, die ihm und anderen außerordentlich zustatten kam. In
regelmäßiger Folge wies sie nämlich an der Innenseite Rundbögen auf, tief und
hoch genug, um darunter Schutz zu suchen vor den Unbilden des Wetters und der
Jahreszeiten. Irgendwann kam jemand auf die Idee, sich aus Brettern, Ästen und
Lumpen eine provisorische Hütte in einen der Bögen zu bauen. Seither hatte es
eine Hand voll Nachahmer gegeben. Einer davon war ein alter Tagelöhner namens
Richolf Wichterich gewesen, der auf der Dombaustelle hin und wieder ins
Schwungrad für die Winden stieg und

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