Die Geliebte des italienischen Millionaers
1. Kapitel
"Ich war mir nicht sicher, ob du das sehen willst oder nicht." Alfredo legte die Zeitung auf den eleganten Schreibtisch seines Cousins.
Lucca Saracino versteifte sich, als er auf der Titelseite Jasmine Baileys Foto entdeckte. Die Lügen, die die üppige Blondine, ein ehemaliges Oben-ohne-Model, über ihn erzählt hatte, hatten dazu beigetragen, dass seine Ehe in die Brüche gegangen war. Jetzt hatte Jasmine bewiesen, wie tief sie gesunken war, um kurze Berühmtheit zu erlangen. Sie hatte zugegeben, dass die Geschichte über die heiße Liebesnacht, die sie angeblich mit dem Multimillionär auf dessen Luxusyacht verbracht hatte, erfunden war.
"Du solltest sie verklagen", erklärte Alfredo, ein untersetzter junger Mann von Anfang zwanzig.
Eine Klage wäre sinnlos. Das war Lucca klar. Er verzog spöttisch die Lippen. Er würde nichts dadurch gewinnen, wenn er dieses billige Flittchen vor Gericht zerrte. Sein Ruf war sowieso längst ruiniert, und seine Scheidung stand kurz bevor. Seine Frau Vivien hatte ihn erschreckend rasch für schuldig befunden. Erhobenen Hauptes und mit Leidensmiene hatte sie die eheliche Wohnung verlassen, obwohl sie schwanger gewesen war. Ihre verbitterte und geldgierige Schwester Bernice hatte sie dazu ermutigt, ihn, Lucca, zu verlassen. Vivien hatte sich geweigert, sich seine Unschuldsbeteuerungen anzuhören. Seine Frau, die bei jedem rührseligen Film in Tränen zerfloss, war ihm gegenüber unerbittlich gewesen.
"Lucca?" durchbrach Alfredos Stimme die lastende Stille.
Nur mühsam konnte Lucca sich eine Zurechtweisung verbeißen. Aus lauter Menschenfreundlichkeit hatte er seinem begriffsstutzigen Cousin einen zeitlich befristeten Job gegeben. Alfredo wollte unbedingt Erfahrungen auf kaufmännischem Gebiet sammeln. Lucca hielt ihn für gescheit, gewissenhaft, aber unpraktisch und wenig geistreich. Außerdem war Alfredo recht taktlos, er trat in jedes Fettnäpfchen.
"Ich muss mich bei dir entschuldigen", fuhr der jüngere Mann unbehaglich fort. "Ich habe nicht geglaubt, dass diese Frau dich hereingelegt hat. Auch meine Eltern waren überzeugt, du seist fremdgegangen."
Das bestätigte nur das, was Lucca längst vermutet hatte. Seine Verwandtschaft hatte kein Vertrauen zu ihm.
"Aber niemand macht dir deswegen einen Vorwurf", fügte Alfredo rasch hinzu. "Vivien hat sowieso nicht zu dir gepasst, und …"
"Vivien ist die Mutter meines Sohnes", unterbrach Lucca ihn kühl. "Ich erwarte von dir, dass du respektvoll über sie sprichst."
Alfredo wurde rot vor Verlegenheit und entschuldigte sich schnell. Ärgerlich schickte Lucca ihn weg. Dann stand er auf und stellte sich ans Fenster. Doch die herrliche Aussicht auf London interessierte ihn momentan nicht. Er musste nachdenken.
Sein kleiner Sohn Marco wuchs ohne ihn in einem schäbigen Zuhause auf, in dem nicht Italienisch gesprochen wurde. Nach dem Scheitern der Ehe und der Trennung hatte es sehr unschöne Auseinandersetzungen gegeben. Lucca hatte darum kämpfen müssen, seinen Sohn wenigstens ab und zu sehen zu dürfen. Durch Jasmine Baileys gemeine und unverschämte Behauptungen hatte man ihn als untreuen Ehemann abgestempelt. Seine Rechtsanwälte hatten ihm klar gemacht, dass kein Gericht ihm das Sorgerecht für seinen Sohn zusprechen würde, denn seine Frau verhielt sich untadelig und hatte einen sehr guten Ruf. Lucca war geradezu empört über die Ungerechtigkeit. Vivien hatte mit ihrem Misstrauen die Ehe zum Scheitern gebracht, und trotzdem hatte sie das alleinige Sorgerecht für ihren gemeinsamen Sohn erhalten.
Mehr als ein gelegentlicher Besucher würde er für Marco nie sein. Lucca befürchtete sogar, dass sein Sohn ihn zwischen den einzelnen Besuchen vergessen würde. Wie konnte sich ein so kleines Kind an einen Vater erinnern, den es nur ein Mal im Monat sah? Vivien würde dem Jungen gegenüber den Vater nicht erwähnen. Aber jetzt hatte sie keinen Grund mehr, auf dem hohen Ross zu sitzen und ihn, was seine Moral anbetraf, zu verurteilen.
Bei diesem Gedanken verspürte Lucca so etwas wie einen Adrenalinstoß, und seine dunklen Augen leuchteten. Er war zufrieden. Natürlich konnte er nicht ausschließen, dass Vivien Jasmine Baileys Geständnis gar nicht mitbekam. Als Akademikerin interessierte sie sich nicht für Gesellschaftsklatsch und triviale Unterhaltung. Sie las nur selten eine Zeitung.
Lucca bat seine Sekretärin über die Sprechanlage, Vivien ein Exemplar der Zeitung mit Grüßen von ihm zu schicken. Er war
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