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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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der Kamera der Spurensuche, die Fotos von den Wasserbehältern machte.
    »Ich nehme es an. Er wollte verhindern, dass die Käfer die Wände hinaufklettern, aus dem Fenster krabbeln, was immer auch anstellen, um ...«
    Clara beendete den Satz: »Um aufzufallen? Die Aufmerksamkeit der Nachbarn zu erregen?«
    Sie wandte sich an Winterfeld. »Dann hat er die Käfer extra hierhergeschafft?«
    Winterfeld nickte. »Sieht ganz so aus. Es gibt bei Leichen öfter Insektenbefall, Fliegen- und Käferlarven, aber das hier ist weit mehr als der Durchschnitt.«
    »Biologische Beschleunigung der Mumifizierung durch Käfer?«, fragte Clara.
    Winterfeld nickte. »Die alten Ägypter haben das ähnlich gemacht. Wir sollten gleich die Biologen in der Rechtsmedizin fragen, was das für Käfer sind.«
    Er klappte sein Handy auf und wählte eine Nummer. Während er sprach, schweifte Claras Blick noch einmal über die Leiche. In diesem Moment sah sie es und spürte wieder den brutalen Schlag aus Ekel und Erstaunen, der sie jedes Mal wie aus dem Hinterhalt traf, wenn sie etwas entdeckte, was sie nicht erwartet hatte: Der Täter hatte dem Mädchen vier Löcher in die Schädelhöhle gebohrt, Löcher, aus denen nun ebenfalls die schwarzen Käfer hervorkamen.
    »Dieser Bastard«, sagte sie und zeigte auf die grausige Entdeckung, die sie gerade gemacht hatte. Der Polizist, der MacDeath nach oben begleitet hatte und noch an der Tür stand, wandte sich ab. »Er hat ihr Gehirn freigelegt.«
    Selbst Friedrich, der bisher keine Miene verzogen hatte, schluckte. »Er wollte alles mumifiziert haben«, sagte er. Und dann nach einer Pause. »Das ist einer von der übleren Sorte. Gestern die CD-ROM, heute das hier. Und wir wissen nicht, was noch alles kommt. Wir sollten aufpassen.« Er schaute Winterfeld und Clara an. »Auch auf uns.«
    Auch auf uns, echote es in Claras Kopf. Gestern die CD-ROM, heute das hier. Und die CD war auf Claras Namen abgegeben worden. Was wollte dieser Kerl? Ihr zeigen, was er alles drauf hatte?
    Sie ging noch einmal vorsichtig um das Bett herum, während der restliche Trupp der Spurensuche bereits an der Tür wartete und die Käfer zu ihren Füßen herumkrabbelten. Es mochten Hunderte sein. Im Hintergrund hörte Clara das Klicken von Winterfelds Handy, als er eine Nummer eingab und sprach. »Winterfeld hier. Wir sind am Tatort zur CD-ROM von gestern Abend, Jasmin Peters, ihr wisst Bescheid? Gut ... Mord. Das Opfer wurde mumifiziert, offenbar mithilfe irgendwelcher Käfer. Ihr habt einen Insektenforscher am Institut, richtig? Entomologen, oder wie immer die heißen. Alles klar, stellt schon mal einen Experten ab, wir kommen nachher vorbei. Danke.«
    Das ist einer von der übleren Sorte, wiederholte Clara in Gedanken Friedrichs Worte . Im Zimmer schien sich alles wie in Zeitlupe abzuspielen: Friedrich, der irgendetwas in einem altmodischen, abgewetzten Buch notierte; die Leute von der Spurensuche, die UV-Licht eingeschaltet hatten, mit Lasern den Raum ausmaßen, mit Graphitpinseln über Tür und Möbel tupften und weitere Aufnahmen machten; das schnappende Geräusch von Winterfelds Handy, das er nach dem Gespräch zuklappte.
    Clara schaute aus dem Fenster, wo sich allmählich in grau-schmutziger Farbe ein weiterer nasskalter Herbsttag ankündigte. Ihr Blick glitt weiter. Neben dem Bett ein Schrank. Auf einem Stuhl lag ein Kapuzenpullover. Auf dem Nachttisch ein Buch von Thomas Harris und irgendein Lifestyle-Ratgeber. Es war Staub auf den Schränken und Regalen; ansonsten sah das Zimmer aus, als hätte das Mädchen gestern noch gelebt.
    Einer von der übleren Sorte.
    Sie schaute weiter in Richtung Bett – und ihr Blick verharrte noch einmal auf dem Gesicht des Mädchens, als würde ein perfider Magnet sie immer wieder zu diesem Bild des Grauens ziehen, diesem Gesicht, das einmal hübsch gewesen war und jetzt ohne Augen zur Decke starrte. Nur die Haare waren noch so, wie sie zum Zeitpunkt des Mordes gewesen sein mochten. Wie auf der CD. Blond, mit leichten Platinsträhnen.
    Er hat ihr Gehirn freigelegt.
    Clara riss den Blick beinahe gewaltsam von dem mumifizierten Antlitz los und ließ ihn erneut durchs Zimmer schweifen. Der erste Eindruck ist immer entscheidend. Denn oft sah man beim ersten, vorbehaltlosen Blick Dinge, die man bei späterer, genauerer Untersuchung nicht mehr bemerkte. Claras Blick glitt weiter über die Wände, das Monet-Poster, die Pflanze auf der Fensterbank bis zu dem kleinen Sekretär, der an der Wand neben der

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