Finale Mosel
genauso viel Interesse gehabt haben, René Tiefenbach an einer Aussage zu hindern.«
»Wer könnte die Frau gewesen sein, die Gorzinsky im Krankenhaus besucht hat?«, fragte Walde.
»Vielleicht jemand aus seiner Redaktion«, sagte Grabbe.
»Gorzinsky gehört keiner Redaktion an.« Walde stand auf und ging zum Fenster.
»Oder es war eine Kollegin.«
»Wie sah sie denn aus?«, fragte Gabi.
»Klein, schlank, dunkle Haare, undefinierbares Alter«, sagte Walde. »Dutt am Hinterkopf.«
»Einen Dutt?«
»Sagt Dr. Hoffmann.«
»Das könnte Martha gewesen sein, das Zimmermädchen aus der Pension Maas.«
»Was hat die denn bei Gorzinsky im Krankenhaus zu tun?«
»Sie hat ihn gefunden, das ist ihr bestimmt zu Herzen gegangen«, sagte Grabbe. »Wahrscheinlich hat sie ihm auch ein paar Sachen gebracht. Schlafanzug zum Wechseln, Toilettenartikel …«
»Ach so, Monika braucht ein bisschen Futter für die Presse«, sagte Walde. »Ich wundere mich, dass sich Gorzinsky nicht selbst vermarktet hat.«
*
Auf der Terrasse setzte Annika Glasmurmeln auf die obere Plattform der Kugelbahn. Als Walde sie auf die Wange küsste, ließ sie die Augen nicht von den herunterrollenden Kugeln. Das alte Spielzeug hatte sie schon lange Zeit nicht mehr beachtet. Doris zupfte verblühte Blätter von der Clematis an der Mauer, wo die Überdachung der Terrasse endete. Er ging zu ihr und legte seine Arme von hinten um ihren Bauch. Von ferne waren Lautsprecherdurchsagen, wahrscheinlich von der Bühne an der Porta Nigra, zu hören.
»Sie hat die Kugelbahn für ihren kleinen Bruder rausgekramt. Die will sie ihm schenken.«
»Tolle Idee. Und wie geht es dir?« Sein Blick fiel auf die Stöcke, die neben Doris’ Laufschuhen standen.
Sie folgte seinem Blick. »Ich habe von Joggen auf Walken umgestellt. Heute hat er zum ersten Mal Fußballspielen geübt«, sagte sie. »Freust du dich auf deinen Sohn?«
»Hmh.«
»Ist ein Junge etwas anderes für dich als ein Mädchen?«
»Ich denke schon.«
»Warum?«
»Weil ich selbst der Sohn eines Vaters war.« Er küsste ihren Hals. »Und weil ich weiß, was er hätte besser machen können.«
Sie legte ihren Kopf zurück.
»Er hätte etwas mehr für mich da sein können«, fuhr er fort. »Nicht soviel arbeiten und ruhig auch mal strenger sein dürfen, das auch.«
»Und was noch?«
»Und etwas netter zu meiner Mutter sein.«
»Und was noch?«
»Und ein paar Jahre länger leben hätte er auch können.«
Zum Abendessen bereitete Walde eine selbst kreierte Mosel-China-Pfanne zu. Bei den Gewürzen hielt er sich zurück und würzte die Portion erst auf seinem Teller mit Sojasoße nach. Annika sammelte die Cashew-Kerne am Tellerrand und fütterte Walde mit Hühnchenstücken. Die übrigen Zutaten im Reis, hauptsächlich Gemüse, schienen ihr zu schmecken. Nicht einmal über die Sojakeimlinge beschwerte sie sich. Als Schluss und Höhepunkt aß sie die Cashew-Kerne alle auf einmal.
Vor dem Schlafengehen las Walde die von Annika ausgesuchte Geschichte ,Tomte Tummetott’.
Später zupfte Walde ein paar Läufe auf dem Kontrabass. Durch das Fenster sah er Doris mit einem Buch in der Hand auf der Terrasse im Liegestuhl.
Irgendwo klingelte das Telefon. Er fand es auf der Ladestation im Wohnzimmer.
»Störe ich?«
Walde brauchte einen Moment, um Meyers Stimme einzuordnen. »Nein, was gibt’s?«
»Im Kindergarten ist Alarm ausgelöst worden.« Im Hintergrund waren Fahrgeräusche zu hören. In Meyers Stimme schwang keine Spur von Aufgeregtheit. »Du wolltest ja informiert werden.«
»Danke, ich komme!«
»Weißt du wohin?«
»Es gibt doch nur eine Alarmanlage?«
»Stimmt, bis gleich.«
Walde zog sich seine Schuhe an, bevor er hinaus auf die Terrasse ging.
»Annika schläft, denke ich mal«, sagte er.
Sie sah auf seine Schuhe. »Willst du aufs Altstadtfest?«
»Nein.«
»Was hast du dann vor?«
»Meyer hat angerufen, ich muss noch mal weg.«
»Nach dem, was letzte Nacht geschehen ist?«
»Es geht um den Kindergarten, also die Typen haben Alarm ausgelöst, es sind sicher nur Jugendliche.«
»Gestern war es eine junge Frau mit einem Spaten, vielleicht haben die heute eine Eisenstange.«
»Nee, ein paar Einsatzkommandos sind bereits unterwegs«, sagte er. »Ich hatte Meyer gebeten, mir Bescheid zu sagen, falls sich was ergibt. Jetzt kann ich nicht einfach zu Hause bleiben.«
»Du bist total auf deine Arbeit fokussiert und willst sonst aber auch alles.«
»Was heißt, sonst auch
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