Finale Mosel
haben oder ob sonst wo eine Kopie der Bilder vorhanden ist.«
»Ich weiß nicht, was Sie sich da in den Kopf gesetzt haben. Es gibt keine Fotos. Außerdem tut mir mein Kopf sehr weh.«
»Vielleicht kommt das vom Rauch«, vermutete Grabbe.
»Des passt scho.« Gorzinsky zog seine Schublade soweit auf, dass der Aschenbecher darin zu sehen war.
Im Restaurant des Metzer Hofs war es feuchtwarm und wesentlich lauter, als man es um diese Zeit erwartet hätte. Walde und Grabbe, der seine beschlagene Brille abgenommen hatte, warteten ab, bis ein Schwarm Kellnerinnen mit Tabletts und Schüsseln in Richtung einer größeren Gesellschaft an ihnen vorbeigeeilt war. Etwas mehr als die Hälfte des großen Raums nahmen in U-Form aufgestellte Tische ein, an denen fröhliche, festlich gekleidete Menschen feierten. Orthauser winkte aus dem hinteren Teil des Raums, wo er allein an einem Tisch saß.
Er erhob sich und schüttelte ihnen mit kräftigem Druck die Hand. »Nehmen Sie bitte Platz.«
Eine Serviette steckte im Halsausschnitt seines Hemdes. Vor ihm auf dem Tisch stand ein Teller mit heller Cremesuppe, daneben ein Schälchen glänzender schwarzer Oliven und ein Körbchen mit geschnittenem Weißbrot.
»Lassen Sie sich nicht vom Essen abhalten!«, sagte Walde.
»Darf ich Ihnen etwas anbieten?« Orthauser löffelte seine Cremesuppe.
»Danke«, lehnte Walde ab.
»Vielleicht ein Süppchen oder einen Salat?« Der Dirigent kratzte mit einer Scheibe Baguette den Rest Suppe vom Teller. »Oder wenigstens was zu trinken, Tee, Kaffee, Wasser?«
Der Teller wurde abgeräumt. Walde bestellte sich einen Espresso, Grabbe einen Früchtetee.
»Ich bin auf Mittagessen konditioniert. Meine Musiker bevorzugen es, am frühen Abend zu essen. Ich habe schon einmal vor drei Jahren mit der Luxemburger Staatskapelle zusammengearbeitet. Tolle Musiker, aber ein bisschen verwöhnt sind sie schon. Es darf nicht zu heiß und auch nicht zu kalt sein.« Er schob sich eine Olive in den Mund. »Abends nehme ich höchstens noch eine Kleinigkeit zu mir. Vor der Aufführung bin ich zu nervös für schweres Essen.«
Grabbe nickte. »Wir haben nur noch ein paar Fragen.«
»Schießen Sie los!« Orthauser zog die Serviette ab und warf einen prüfenden Blick auf sein weißes Hemd mit der verdeckten Knopfleiste.
»Warum hat Gorzinsky Sie …« Grabbe unterbrach, weil eine Kellnerin den Espresso und Tee servierte und Orthauser aus einer in einem Kübel stehenden Flasche Wasser nachschenkte. »Warum hat Gorzinsky Sie um eine Eintrittskarte für Elektra gebeten?«
»Das hat er nicht. Ich habe mitbekommen, dass ihm die Akkreditierung zu den Vorstellungen der Antikenfestspiele entzogen wurde.«
Zwei Kellnerinnen stellten mit flinken Händen Platten mit Lammkoteletts, Gemüse und Kartoffelgratin auf Rechauds. Während eine wieder verschwand, legte die zweite vor.
»Guten Appetit!«, wünschte Grabbe.
»Bei den Proben durfte jeder rein, da der übliche Besucherverkehr weiterlief.« Orthauser schob sich eine Gabel Fleisch in den Mund.
»Wie kam es, dass Gorzinsky die Akkreditierung verloren hatte?«
»Dafür hat Tiefenbach gesorgt. Er hat herausgefunden, dass Andy weder eine Zeitung noch sonstige Medien vertrat, geschweige denn einen gültigen Presseausweis vorzuweisen hatte.«
Walde rührte Zucker in seinen Espresso. Der Schaum darauf erinnerte ihn an die Luftaufnahme vom Auge eines Orkans.
»Und da haben Sie ihm geholfen?«, fuhr Grabbe fort.
»Ja, Sie kennen doch sicher die Akten. Andy ist ein Bekannter aus München. Wir hatten keinen Kontakt mehr seit dieser leidigen Geschichte und sind uns erst hier wieder über den Weg gelaufen.« Der Dirigent tupfte sich den Mund ab und trank aus seinem Glas.
»Tiefenbach hat nicht so großherzig reagiert«, sagte Walde.
Orthauser nahm sich zwei weitere Koteletts von der Platte. »Die beiden haben sich nicht besonders gemocht.«
»Das ist eine sehr harmlose Umschreibung.«
»Wenn das Leben eine Oper wäre, hätte es wahrscheinlich weniger subtile Ausdrucksformen …«
»Und im wahren Leben waren es die kleinen versteckten Fouls, hier ein kompromittierendes Bild, da der Entzug der Akkreditierung …«
»Und bei Tiefenbach hier ein zu oft verlangter Kniefall und da ein kleiner Schubser.« Am Nebentisch wurde kollektiv gelacht.
Walde beugte sich vor. »Dieser Fotograf hat mit Koks gedealt, und Tiefenbach hatte gegen ihn ausgesagt und gegen alle anderen aus diesem Zirkel, zu dem auch Sie gehört haben. Jetzt
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