Finnisches Roulette
sie an die allerschrecklichste Möglichkeit dachte.
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Laura Rossi lag stöhnend unter ihrem nackten Mann und preßte Samis schweißnassen Kopf an ihre Brüste. Lauras Hände waren mit ockerfarbenen Flecken bedeckt, und auch ihre dunklen Rastalocken hatten Farbspritzer abbekommen. Ein wohliges Gefühl liebkoste ihren Körper wie weiche Seide, als sie spürte, daß Sami in ihr kleiner wurde und mit ihr verschmolz.
Im Schlafzimmer standen keine Möbel, die Matratze lag auf dem mit Zeitungspapier ausgelegten Parkettfußboden, inmitten von Pinseln, Farb- und Terpentinbüchsen und sonstigen Renovierungsutensilien. Ihr erstes gemeinsames Zuhause sollte ein Paradies der Farben werden. Nach ihren Malerarbeiten würde in der ganzen Wohnung, außer dem Toilettenbecken, nichts mehr weiß sein. Sie fühlte sich schon jetzt hier zu Hause. Das tat gut. Der Wohnungskauf war eine geniale Idee gewesen, und es störte sie nicht, daß Sami behauptete, sie wären jetzt Gefangene ihrer Schulden.
Die Möwen kreischten in der Hietalahti-Bucht, und der Geruch des Meeres wurde mit der feuchten Wärme durch die offenen Fenster hereingetragen. So ruhig hörte sich die Stadt nur am Abend vor dem Mittsommertag an. Lauras Blick fiel auf das Poster von Muhammed Ali, das Sami als allererstes an der Wand befestigt hatte. Sie wunderte sich, wie jemand von einer Sportart schwärmen konnte, in der man mit den Fäusten auf den Kopf des Gegners einschlug. Sami jedoch hielt das Boxen für die edelste und ehrlichste aller Kampfsportarten. Das mußte irgend so eine Männersache sein, die Laura nicht verstand.
Sie drehte den Kopf und sah auf dem Fensterbrett die schwarze Ledertasche und die dicken Banknotenbündel. Ihr Zeigefinger landete im Mund, und gedankenversunken kaute sie am Nagel. Nachdem Sami ihr alles erzählt hatte,was im »Forum« geschehen war, hatte Laura verlangt, er solle die Tasche auf der Stelle zur Polizei schaffen, aber Sami war nicht bereit gewesen, auch nur daran zu denken, auf das Geld zu verzichten. Er hatte einen Streit angefangen, der erst im Bett endete. Sie legten ihre Streitigkeiten oft bei, indem sie miteinander schliefen.
Als ihr Sami zu schwer wurde, schob sie ihn hinunter und streichelte seinen flachen Bauch. Ihre Körper ergänzten einander: Sami war groß und muskulös, sie klein und zierlich. Laura bewunderte Samis lockere Lebensauffassung, sein gesundes Selbstbewußtsein und seine natürliche Kontaktfreudigkeit. Sie selbst galt als hart und entschlossen, nur wenige begriffen, daß sie seit ihrer Kindheit eine Rolle spielte. Als ältestes Kind einer alleinerziehenden Mutter hatte sie allzu früh ein Übermaß an Verantwortung tragen müssen und sich mit einer harten Schale umgeben, um ihr Innerstes zu schützen. Auch heute noch flüchtete sie sich vor ihrer Rolle in die Einsamkeit. Diese ernsten Gedanken weckten in Laura Erinnerungen an die zum Schlag erhobene Hand der Mutter, und sie vergrub ihren Kopf an Samis Schulter.
Der Liebesakt hatte Lauras Meinung nicht geändert, sie wollte immer noch die Polizei anrufen und die Tasche zurückgeben, wer weiß, was für Drogengeld der deutsche Diplomat mit sich herumtrug. Es bedrückte sie auch immer noch, daß Sami den alten Mann im Aufzug hatte liegen lassen, wenn er auch wenigstens den Krankenwagen gerufen hatte. Sami durfte nicht ausgerechnet jetzt in Schwierigkeiten geraten, wo endlich alles in Ordnung war. Sie hatten am 1. Mai geheiratet, und im Mai hatte Sami einen festen Arbeitsplatz im Sportgeschäft eines Bekannten bekommen. Nun mußte er sich an einen normalen Arbeitsrhythmus gewöhnen, und das war eine Leistung für einen Mann, der aus Begeisterung für den Abfahrtslauf in den letzten vier Jahren durch die Wintersportorte der Alpen gezogen war undsich als Skilehrer durchgeschlagen hatte. Viele von Lauras Freunden waren der Ansicht gewesen, die wenigen Monate mit Sami seien eine zu kurze Zeit, um sich für eine Ehe zu entscheiden. Aber in ihrer Beziehung hatte sofort alles gestimmt. Laura ärgerte sich, daß sie beim Gedanken an Samis Jahre im Ausland immer noch Stiche der Eifersucht spürte. Wenn der Mann doch mehr über sich reden würde.
Sami schwebte weiter auf der Wolke der Glückseligkeit. Laura küßte seinen vorstehenden Bauchnabel und beschloß, wieder zur Sache zu kommen. Sie ging nackt zum Fenster, ohne sich um den Mann mittleren Alters zu kümmern, der an einem Fenster des gegenüberliegenden Hauses stand und Stielaugen machte. Gleich am Montag mußte
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