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Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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Marianne gelernt, meine wachsenden übersinnlichen Kräfte zu beherrschen. Zu Beginn unserer Freundschaft war sie Hellseherin gewesen, inzwischen war sie eine Hexe. Genauer gesagt, eine Wicca. Nicht alle Hexen sind Wicca, und wäre Marianne eine andere Art Hexe, müsste ich mich nicht ständig aufschneiden. Als meine Lehrerin teilte sie meine karmische Schuld, jedenfalls glaubte das ihre Gruppe – ihr Hexenzirkel. Als die hörten, dass ich bei jeder Totenerweckung ein Tier tötete, das heißt, drei-, viermal pro Nacht und das täglich, waren sie förmlich ausgerastet. Blutmagie ist für Wicca schwarze Magie. Ein Leben für magische Zwecke zu nehmen, egal was für eins, selbst das eines Hühnchens, ist schwärzeste Magie.
    Wie sich Marianne an jemanden habe binden können, der so böse ist?, wollten sie wissen.
    Um Mariannes karmische Bürde zu erleichtern – und damit auch meine, wie der Hexenzirkel versicherte –, erweckte ich die Toten jetzt ohne Tiere zu töten. Das hatte ich in Notsituationen auch schon getan, ich wusste also, dass es möglich war. Aber – welche Überraschung – es ging zwar ohne ein Tier, aber nicht ohne frisches Blut. Was also tun? Der Kompromiss bestand darin, mein eigenes Blut zu nehmen.
    Begonnen hatte ich beim linken Unterarm, doch das ging nicht lange gut, da ich es drei-, viermal pro Nacht tun musste. Dann war ich dazu übergegangen, mir in die Fingerspitzen zu stechen. Bei Toten, die kein halbes Jahr im Grab lagen, reichte das aus. Aber dann gingen mir die Finger aus, und am Arm hatte ich schon genug Narben. Außerdem hatte ich festgestellt, dass ich beim Schießen mit links langsamer war, weil die Schnitte verflucht wehtaten. Die rechte Hand wollte ich nicht aufschneiden, denn ich konnte es mir nicht leisten, auch mit rechts langsamer zu werden. Ich hatte mich auf dieses Verfahren eingelassen, weil es mir leid tat, Hühner und Ziegen zu opfern, aber mein eigenes Leben ist mir mehr wert als das der Tiere. So, jetzt ist es heraus, eine total selbstsüchtige Entscheidung.
    Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass die kleinen Schnitte gleich wieder zuheilen. Denn dank meiner Bindung an Jean-Claude, den Meistervampir von St. Louis, verheilt bei mir alles sehr, sehr schnell. In diesem Fall jedoch nicht. Marianne vermutete, dass es an der magischen Klinge lag. Doch ich hing an meiner Machete. Ehrlich gesagt, war ich nicht so ganz sicher, ob ich die Toten mit nur so wenig Blut und ohne magischen Stahl wecken könnte. Das war ein Problem.
    Ich würde Marianne anrufen und ihr sagen müssen, dass ich die Wicca-Tugend-Prüfung nicht bestanden hatte. Die Wicca würden mich deshalb sicher ablehnen. Warum sollten die anders reagieren als fundamentalistische Christen?
    Ich schaute über die Schulter zu meinem Publikum. Zwei zusätzliche Streifenpolizisten hatten sich zu Lieutenant Nicols und seinem Kollegen gesellt. Die Polizei stand zwischen den beiden anderen Gruppen und hatte ihnen erlaubt, sich dem Grab so weit zu nähern, dass sie verstehen würden, was der Tote sprach. Dadurch waren die fünfzehn Meter Abstand nicht mehr einzuhalten, doch beide Parteien sollten Gordon Benningtons Aussage hören können, so hatte der Richter es verfügt. Der war übrigens ebenfalls anwesend, zusammen mit einer Gerichtsschreiberin und ihrem kleinen Apparat. Außerdem hatte er zwei stämmige Gerichtsdiener mitgebracht. Offenbar war der Richter klüger, als er aussah. Aber mich hatte er schon vorher beeindruckt. Nicht jeder lässt Zombies in den Zeugenstand treten.
    Heute Nacht war der Friedhof ein Gerichtssaal. Ich war froh, dass Court TV keinen Wind davon bekommen hatte. Das war genau das gruselige Zeug, das die gerne sendeten. Sie wissen schon – Sorgerechtsstreit unter Transen, Lehrerin vergewaltigt Dreizehnjährigen, Mordprozess gegen Football-Profi. Der O.J. Simpson-Fall hatte beim amerikanischen Fernsehen eine üble Entwicklung in Gang gesetzt.
    Mit seiner dröhnenden Prozessstimme, die auf dem leeren Friedhof seltsam hallte, sagte der Richter: »Fangen Sie an, Ms Blake, wir sind vollzählig.«
    Normalerweise hätte ich also ein Huhn geköpft und mit dem ausblutenden Rumpf einen Kreis gezogen, einen Machtkreis, der den erweckten Toten am Weglaufen hindert. Der Kreis diente außerdem dazu, die Macht und die Energie zu bündeln. Diesmal hatte ich kein Huhn dabei. Wenn ich mich selbst genügend bluten ließ, um auch nur einen kleinen Machtkreis zu ziehen, war es gut möglich, dass ich für den Rest der

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