Finsteres Verlangen
Holländer.
»Nein«, erwiderte ich und schoss.
Die Kugel riss ihn vom Stuhl, und ich schoss erneut, ehe er den Boden berührte. Der erste Schuss war überhastet gewesen und nicht tödlich, aber der zweite war ein solider Treffer.
Ich jagte noch zwei Kugeln in ihn hinein, ehe ich nähertrat. Ich beobachtete, wie er den Mund öffnete und schloss. Blut lief ihm von den Lippen und färbte sein blaues Hemd purpurn.
Ich beschrieb einen weiten Kreis um ihn, damit ich einen sauberen Kopfschuss landen konnte. Er lag auf dem Boden und blutete. Es gelang ihm, Blut auszuhusten und die Kehle so weit freizubekommen, dass er noch etwas sagen konnte. »Die Polizei muss warnen. Kann nicht einfach schießen.«
Ich atmete tief aus und visierte einen Punkt auf seiner Stirn an. »Ich bin nicht die Polizei, Van Anders. Ich bin der Henker.«
Er riss die Augen auf und sagte: »Nein!«
Ich drückte ab. Sein Gesicht verwandelte sich in eine unidentifizierbare rote Masse. Seine Augen waren blauer gewesen als auf den Fotos.
61
A m Abend rief mich Bradley zu Hause an. Eigenartigerweise war ich, nachdem ich vor einem Haufen Vorstadtmamis mit Kindern einem Mann das Hirn weggepustet hatte, nicht in der Laune, mich mit der Arbeit zu befassen. Ich lag bereits mit meinem Lieblingsplüschpinguin Sigmund im Bett, und Micah war bei mir. Normalerweise ist Micahs Wärme erheblich tröstlicher als ein ganzer Lkw voll Stofftiere, aber heute Abend musste ich mein Lieblingsspielzeug im Würgegriff halten. Micahs Arme waren wunderbar, aber Sigmund sagte nie zu mir, ich sei albern oder blutgierig. Micah hatte es auch noch nie getan, aber ich wartete nur darauf.
»Sie stehen landesweit in allen Zeitungen, und der Post-Dispatch zeigt ein ganzseitiges Foto von Ihnen, wie Sie Van Anders hinrichten«, sagte Bradley.
»Ja, wie es der Zufall will, war gleich gegenüber ein Fotogeschäft. Glück muss der Mensch haben.« Selbst in meinen Ohren klang ich erschöpft, oder noch mehr. Was ist mehr als erschöpft? Tot?
»Kommen Sie zurecht?«, fragte er.
Ich zog Micahs Arme enger um mich und schmiegte den Kopf an seine nackte Brust. Mir war noch immer kalt. Wie konnte mir nur kalt sein unter so vielen Decken? »Ich habe Freunde, die bei mir sind. Sie sorgen dafür, dass ich nicht allzu schwermütig werde.«
»Er musste getötet werden, Anita.«
»Das weiß ich.«
»Was ist das dann für ein Unterton in Ihrer Stimme?«
»Sie sind in dem Artikel noch nicht an die Stelle gekommen, wo der Dreijährige einen Schreikrampf bekommt, aus Angst, ich könnte ihn umbringen wie den bösen Mann, oder?«
»Wenn Van Anders entkommen wäre –«
»Hören Sie auf, Bradley, hören Sie einfach auf. Schon bevor ich auf ihn zu bin, hatte ich entschieden, dass die Psyche der Augenzeugen nicht so wichtig ist wie ihre körperliche Unversehrtheit. Ich bedauere die Entscheidung nicht. Nicht sehr.«
»Okay, dann kommen wir jetzt zum Geschäftlichen. Wir glauben, dass Leo Harlan besser bekannt ist unter dem Namen Harlan Knox. Er hat mit einigen der Leute zusammengearbeitet, die auch Heinrick und Van Anders beauftragt haben.«
»Wieso überrascht mich das nicht?«, fragte ich.
»Wir haben es mit der Nummer versucht, die er Ihnen gegeben hatte. Der Antwortservice sagt, er hat den Vertrag gekündigt, bis auf eine Nachricht.«
Ich wartete darauf.
»Wollen Sie nicht fragen?«
»Sagen Sie es einfach, Bradley.«
»Okay. Hier kommt’s: Ms Blake, schade, dass wir nicht dazu gekommen sind, meinen Vorfahren zu erwecken. Falls Sie es wissen wollen, es gab ihn wirklich. Unter den gegebenen Umständen halte ich Diskretion für das Beste. Und bis auf Weiteres ist die Zusammenarbeit beendet. – Verstehen Sie, was er mit der Zusammenarbeit meint?«
»Ich glaube schon. Ich nehme an, er meint, dass das Unternehmen abgeblasen wurde. Es wurde zu schmutzig. Danke, dass Sie nachgeforscht haben, Bradley.«
»Danken Sie mir nicht, Anita. Wenn ich nicht versucht hätte, Sie als Bundesagentin anzuheuern, wären Heinricks Auftraggeber vielleicht nie auf Sie aufmerksam geworden.«
»Das können Sie sich nicht ewig vorwerfen, Bradley. Es ist wie bei verschütteter Milch: Man wischt die Sauerei auf und macht weiter.«
»Für Van Anders gilt das Gleiche.«
»Ich kann Ratschläge immer besser erteilen als annehmen, das sollten Sie mittlerweile wissen.«
Er lachte, dann sagte er: »Passen Sie auf sich auf, okay?«
»Mache ich, und Sie ebenfalls.«
»Bye, Anita, alles Gute.«
Ich sagte gerade: »Ihnen
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