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Finsterherz

Finsterherz

Titel: Finsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Mathias rannte zur Herberge zurück, um Wasser zu holen. Dabei verfluchte er sich, weil er so viel Zeit vergeudet hatte.
    Als er die Stalltür öffnete, sah er, dass der Mann mit dem Gehstock Gustav die Jacke ausgezogen hatte. Prüfend hielt er sie in der Hand. Sämtliche Taschen waren umgestülpt und auf dem Stroh ausgeleert worden.
    »Was machst du da?«, fragte Mathias, doch der Mann antwortete nicht. Er warf die Jacke auf den Boden.
    »Bring das Wasser her«, befahl er.
    Mathias stellte die Schüssel neben Gustavs Kopf. Der Mann nahm den Lappen, tauchte ihn ins Wasser und begann das Blut von Gustavs Stirn und Kinn zu waschen. Aber er rubbelte sehr fest. Jetzt erkannte Mathias, dass er gar nicht das Blut entfernen wollte. Er wusch die weiße Farbe von Gustavs Gesicht. Es war ein Gesicht, das Mathias nie zuvor gesehen hatte. Es erschien ihm unrecht, dass dieser Fremde es enthüllte. Er rempelte ihn an und versuchte ihm das Tuch wegzunehmen, doch der Mann war zu stark. Er stieß Mathias ins Stroh. Als Mathias es noch einmal versuchte, versetzte der Mann ihm mit dem Handrücken einen Schlag, dass er in die Ecke flog und seine Nase blutete. Dann richtete sich der Mann auf und nahm eine Lampe vom Haken, die offenbar immer hier im Stall hing. Er beugte sich über Gustav und betrachtete das von Schminke befreite Gesicht, als erwartete er, dort etwas Besonderes zu entdecken. Mathias kroch näher.
    Wo die weiße Farbe abgewaschen war, schien Gustavs Gesicht totenbleich, bis auf die eine Wange, die ein großer roter Fleck ziert e – ein Mutterma l –, rot wie Portwein. Der Fleck war so groß wie eine Hand. Mathias hatte ihn noch nie gesehen.
    Der Fremde wandte sich ihm zu. »Er ist dein Großvater, sagst du?«
    Mathias nickte.
    Der Mann setzte sich neben Gustavs Kopf ins Stroh. »Zauberer«, sagte er, »kannst du mich hören?«
    Gustav rührte sich nicht. Der Mann schüttelte ihn.
    »Kannst du mich hören?«
    Doch Gustav lag reglos da.
    »Bleib bei ihm«, sagte der Mann, hob seinen Gehstock auf und verließ den Stall.
    Es war so kalt. Mathias holte Gustavs Jacke. Während er sie über den reglosen alten Mann breitete, öffnete dieser plötzlich weit die Augen. Seine Lippen bewegten sich. Mathias beugte sich hinunter und versuchte zu verstehen, was er sagte, doch die Worte ergaben keinen Sinn. Gustavs Finger zogen an der Jacke. Mathias wickelte sie fester um ihn. Doch Gustav zog weiter daran. Mathias begriff, dass er versuchte, die Jacke zu sich her nach oben zu ziehen.
    »Die Jacke?«, fragte Mathias. »Du willst die Jacke?«
    Gustav antwortete nicht. Die Taschen waren bereits umgestülpt; selbst das Futter war mit einem Messer aufgeschlitzt und durchsucht worden. Doch Gustavs Finger fuhren über das Revers oben am Kragen. Mathias nahm die Jacke an sich. Unter dem dicken Stoff spürte er etwa s – einen kleinen, harten Klumpen. Rasch versicherte er sich mit einem Blick über die Schulter, dass der Fremde noch nicht zurückkam. Dann begann er mit den Fingerkuppen an der Naht zu zupfen, brachte sie jedoch nicht auf. Er nahm den Stoff in den Mund und riss mit den Zähnen daran. Das Tuch schmeckte bitter und nach Dreck, doch seine Zähne bohrten ein kleines Loch hinein. Er kaute es größer, spuckte die Fäden aus und zog dann ein eng zusammengerolltes Blatt Papier heraus.
    Wieder warf er einen Blick hinter sich. »Ist es das?«
    Zum ersten Mal schien Gustavs Blick klar. Mit zitternden Händen nahm er das Papier, öffnete den Mund, steckte es hinein und versuchte zu kauen, doch die Anstrengung war einfach zu groß. Seine Augenlider schlossen sich und sein Kopf fiel aufs Stroh zurück. Mathias horchte an der Brust des alten Mannes. Vergebens. Gustav war tot.
    Draußen standen immer noch Leute. Ein Mann stieß die Tür auf, um zu sehen, was los war. Einzeln oder zu zweit kamen sie herein, begafften den Toten, wandten sich gelangweilt wieder ab und schlenderten hinaus. Mathias’ Nase blutete immer noch, doch er wollte weder das Wasser noch das Tuch benutzen, die beide milchig weiß waren von Gustavs Schminke. Deshalb wischte er sich die Nase mit dem Ärmel ab, setzte sich ins Stroh und weinte.
    Er wusste nicht, wie lange er so dagesessen und geweint hatte, doch auf einmal waren die Gaffer weg. Er betrachtete seinen toten Großvater, das fremde, schmale Gesicht, und wusste nicht, was er tun sollte. Dann fiel ihm das Stück Papier wieder ein. Ganz sachte drückte er Gustavs Kiefer auseinander. Das Papier lag noch hinten auf

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