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Firkin 01 - Der Appendix des Zauberers

Firkin 01 - Der Appendix des Zauberers

Titel: Firkin 01 - Der Appendix des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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jetzt ganz tapfer sein. Versprichst du mir das?«
    Klayth blickte hoch und musterte das unrasierte Gesicht seines Vaters: Alt sah er aus, sehr alt … Aber auch sehr stark … Wie ein knorriger Baum. Baumstark.
    König Kharthezsh hatte seinen Thron lange Zeit, beinahe fünf Jahre lang nicht verlassen. Fünf Jahre lang hatte ihn die Sorge gequält, er könnte für immer kinderlos bleiben und nie einen Sohn und Erben haben. Was nicht daran lag, daß er nicht alles versucht hätte – die Mehrheit der Hofdamen konnte ein Lied davon singen. Es war nur etwas schwierig gewesen, die Partnerinteressen in Einklang zu bringen. Ein Koordinationsproblem, wie so oft …
    Doch dann war vor gut vier Jahren Klayth zur Welt gekommen, und der König war seine Sorgen los. Jetzt, da die Erbfolge geregelt war, konnte er sich endlich wieder auf alle jene Aufgaben stürzen, für die ein König tatsächlich zuständig war, und seinem Sohn ein Vorbild geben, dem dieser nacheifern konnte. Jetzt brauchte er nicht länger mehr im Schloß zu bleiben, jetzt hatte er wieder Zeit, sich um die Regierungsgeschäfte zu kümmern und getreu seinem Motto Hart, aber gerecht für den Fortbestand jener blutsaugerischen Schreckensherrschaft zu sorgen, die ihm so lieb und teuer war. Die mehrjährige Phase erzwungener Enthaltsamkeit (keine Schlachtfeste, keine Plünderreisen!) lag hinter ihm, eine Nacht voll Leidenschaft hatte genügt, sie zu beenden. Wie er das in seinem Alter hingekriegt hatte, war mehrere Wochen lang Geprächsthema Nummer eins gewesen. »Mein Sohn, du sollst jetzt für eine kleine Weile an meiner Statt König sein. Passieren kann dir nix – Mattsches und Börrnhadt passen auf dich auf.«
    Mit Tränen in den Augen sah Klayth seinen Vater an. Er würde ihn wohl nie wieder sehen. Warum er das glaubte – er hätte es nicht sagen können. Und doch glaubte er es ganz bestimmt.
    »Damit wäre das also auch erledigt«, sagte der König leise, setzte den Prinzen ab und ging aus dem Zimmer. Klayth sagte kein Wort. Was hätte er auch sagen sollen, wie hätte er auch dazu Stellung nehmen können – er, der keinen blassen Schimmer davon hatte, was sich um ihn herum abspielte?
    Er zog sich in sein Zimmer zurück und starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Nur wenig später sah er den König, die vier Kriegsherren und einen PRoSt [viii] an der Spitze der ersten Marschkolonne zum Tor hinaus und über die Zugbrücke ziehen. Sie waren aufgebrochen, um in die Geschichte einzugehen. Für immer.
    Klayth kam sich sehr klein und unbedeutend vor. Er wandte sich vom Fenster ab.
     
    Whintz, der Fahrende Zauberer, schlief nach wie vor und ließ sich von den Strahlen der Spätnachmittagssonne wärmen. Der Mond auf seinem Umhang blitzte und funkelte im gleichen Takt, mit dem seine Brust sich hob und senkte. Neben ihm lag – zerknittert und verbogen, so wie es ihm vom Schoß gerutscht war – das altehrwürdige ledergebundene Buch. Der Mund war leicht geöffnet, der Magier schnarchte leise. Es war ein Bild voll tiefer Harmonie und glückseliger Weltvergessenheit.
    Zum Glück für den Magus, dem so der Anblick jener widerwärtigen Kreatur erspart blieb, die auf der anderen Seite der Lichtung auf der Lauer lag. Hätte dieses Ungeheuer Lippen besessen, dann hätte es sich diese angesichts seiner Beute verlangend geleckt. Hätte sie Hände gehabt, dann hätte es sich dieselben erwartungsvoll gerieben. Wäre ihm ein erbarmungsvolles Herz gegeben gewesen, dann hätte es sich etwas in seiner Größe ausgesucht. Doch da drüben, direkt vor seinen Augen, lagen die nötigen Zutaten für ein Festmahl. Ein Festmahl, das nur darauf wartete, daß es sich bediente. Und das täte es führwahr – hungrig, wie es war. Die Augen der Kreatur taxierten die Entfernung, die zwischen ihr und ihrer Beute lag. Sie machte sich ein genaues Bild vom Streckenverlauf, sondierte die Stellen, wo sie in Deckung gehen, wo sie aus dem Hinterhalt angreifen konnte – alles bestens. Kein Problem. Bis auf diesen entsetzlichen Hunger …
    Sie setzte sich in Bewegung und kroch langsam auf den unschuldig schlafenden alten Mann zu. Schlängelte sich leise und verstohlen über die Lichtung. Hielt sich tief am Boden und machte sich unsichtbar. Kam näher und immer näher, mit aufgeregt bebenden Kauwerkzeugen. Und als sie ihre Mahlzeit betrachtete, die wehrlos vor ihr lag, überflutete ein brodelnder Sturzbach aus Verdauungssäften ihren Magen. Sie arbeitete sich an den tief schlafenden und keine Gefahr

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