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Firkin 01 - Der Appendix des Zauberers

Firkin 01 - Der Appendix des Zauberers

Titel: Firkin 01 - Der Appendix des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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Wirt amüsierte sich blendend. Er genoß die Situation wie ein Schauspieler, der spürt, daß er sein Publikum allmählich in den Griff bekommt. Mit theatralischer Gebärde lehnte er sich über den Tresen und sagte zu Firkin: »Aalsooo Menükarte – so was ham wir hier nicht. Und außerdem seid ihr schon hübsch spät dran. Müßt ich erst mal auf mei’m Speisezettel nachsehen … fürchte, ich hab nicht viel für euch übrig … Aber fragt mich ruhig.« Damit hatte er anscheinend etwas gesagt, worüber sich mehrere jugendliche Gelegenheitsdiebe irrsinnig belustigen konnten – sie gerieten vor Freude schier aus dem Häuschen.
    Firkin war bei der Angelegenheit überhaupt nicht wohl, er hatte das ungute Gefühl, daß ihm die Sache aus der Hand glitt. Er schluckte wieder, holte tief Luft und …
    »HamSiedenngarnixfürunsübrig, HerrWirt?« stotterte Hogshead, die Augen fest zusammengekniffen, los. Die Kneipe kringelte sich vor Lachen, und Firkin biß sich betreten auf die Lippen.
    »Aber sicher, Jungs! Gut, daß ihr mich danach fragt!« lachte der Wirt und überreichte Firkin einen abgegriffenen Fetzen Pergament, der fettig glänzte und beinahe schon durchsichtig war. »Hier, bitte schön«, strahlte er sie an. »Hoffe doch, ihr nehmt uns unseren kleinen Scherz nicht übel. Es ist nur so, daß wir nicht allzuoft neue Gesichter bei uns sehen. Und wenn’s schon mal passiert, dann woll’n wir auch das Beste aus der Sache rausholen. Hab ich recht, Gnorm?«
    »Arr.«
    Hogshead wurde von zwei riesigen Händen gepackt, hochgehoben und neben Firkin auf den Hocker gesetzt.
    »Sagt mir einfach, was ihr wollt.« Raphgyr schob den Jungen zwei schäumende Gläser hin.
    Jetzt fiel ihnen plötzlich wieder ein, daß sie fast einen ganzen Tag lang nichts getrunken hatten (von dem bißchen Badewasser einmal abgesehen, das sie geschluckt hatten. Das zählte nicht). Sie griffen sich die Gläser und schütteten den Inhalt in Sekundenschnelle in sich hinein. Schmeckte komisch. War aber immerhin naß. Und tat gut.
    »Määnsch! Müßt ja richtig ausgetrocknet sein, Jungs!« Raphgyr schob ihnen zwei neue Gläser hin. Sie wurden genauso schnell weggeputzt und unverzüglich durch ein frischgefülltes drittes Paar ersetzt.
    Mittlerweile hatte sich die Schtimmung wieder normalisiert. Am Köpfel- Tisch wurde wieder geköpfelt, und im Spuckschloß herrschte wieder die ganz normale, übliche dicke Luft, die zu 45% auf Zigarettenrauch bestand, zu 20% aus Pfeifentabak, zu 19% aus Alkoholdünsten, zu 13% aus den Aromen exotischer und sehr wahrscheinlich illegaler Rauschmittel und zu 3% aus Sauerstoff. Womit bewiesen wäre, daß bei der Zusammensetzung eines gedeihlichen Klimas die Beimischung von Sauerstoff eine allenfalls übergeordnete Rolle spielt.
    Firkin und Hogshead, die ihren Durst noch lange nicht gelöscht hatten, griffen zum nächsten Glas.
     
    Wie jedermann weiß, richten sich Zeit und Gezeiten nicht nach den Uhren der Menschen. Die Welt ändert sich, neue Erfindungen werden erfunden, längst vergessene Entdeckungen neu entdeckt, uralte Städte, für die sich keiner mehr zuständig fühlt, werden baufällig und ruinös, Muskeln und Geschicklichkeiten bilden sich wegen mangelnden Trainings zurück und verkümmern, Zeitschriftenabonnements laufen aus. Und so mußte auch Batteur im Jahre 1025 MEZ feststellen, daß er es verabsäumt hatte, sein Abonnement auf die Monatszeitschrift Der Stratege zu erneuern.
    Dieses Versäumnis war nur ein Symptom unter mancherlei anderen, an denen ersichtlich wurde, was all die Jahre einer selbstauferlegten Friedenszeit (jene Jahre, die der König auf die Erzeugung eines Sohnes verwendet hatte) der militärischen Größe angetan hatten, durch die sich die Kriegsherren von Isolon einstmals ausgezeichnet hatten. Was die anderen Symptome anging, so handelte es sich um die übliche Mischung aus Arthritis, grauem Star, grauem Haar und Altersschwäche. Allerdings konnte dieses Symptombild nicht in jedem Fall als eindeutiger Beweis für den behaupteten Ursache-Wirkungs-Zusammenhang gewertet werden: Rachitwitz etwa hatte zeit seines Lebens einen Sprung in der Schüssel gehabt.
    Doch das Problem lag nicht nur darin, daß die Leistungsfähigkeit der militärischen Oberbefehlshaber auf Grund anhaltender Unterforderung verkümmert war. Das Problem lag auch und vor allem darin, daß die Welt in der ganzen Zeit nie aufgehört hatte, sich weiterzudrehen. Die Kriegskunst hatte Fortschritte gemacht. Man hatte neue und

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