Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
zerbrochener Stuhl in einer ausgebrannten Halle ist?«
Die Schultern des Narren sanken herab. »Es gibt tausend Scheidewege«, wisperte er. »Manche sind klar und deutlich zu erkennen, andere sind Schatten innerhalb von Schatten. Manche sind fast Gewissheit, nur eine gewaltige Armee oder verheerende Seuche könnte ihnen eine andere Richtung geben. Andere wiederum sind in Nebel gehüllt, und ich weiß nicht, welche Pfade hinausführen oder wohin. Du bist der Nebel vor meinen Augen, Bastard. Du vervielfältigst die Zukunft tausendfach, und das allein durch deine Existenz. Von einigen dieser Nebel gehen die schwärzesten, verschlungenen Fäden der Verdammnis aus, von anderen schimmernde Bänder aus Gold. Zu den Höhen oder Tiefen, scheint es, führen deine Wege. Ich sehne mich nach dem Mittelweg. Ich sehne mich nach einem leichten Tod für einen Herrn, der gut gewesen ist zu seinem närrischen Narren.«
Damit ließ er mir, während er die Riegel zurückschob und leise den Raum verließ, einen recht hintergründigen Vorwurf zurück. In den reichen Kleidern und mit seinem bedächtigen Gang erschien er mir grotesker als zuvor in seinem Narrengewand. Ich schloss die Tür hinter ihm und lehnte mich dagegen, als könnte ich die Zukunft aussperren.
Für das Festmahl an diesem Abend kleidete ich mich mit besonderer Sorgfalt an. Als ich endlich in Mistress Hurtigs neuester Festkleidung steckte, sah ich fast so elegant aus wie der Narr. Ich hatte beschlossen, vorläufig noch nicht um Veritas zu trauern und mir auch nicht den Anschein zu geben. Auf dem Weg die Treppe hinunter kam es mir vor, als strömte die gesamte Burg an diesem Abend in der großen Halle zusammen. Offenbar waren vom edelsten bis zum geringsten Burgbewohner alle zum Fest geladen worden.
Ich saß an einem Tisch mit Burrich, Flink und Knechten aus dem Stall - der schlechteste Platz, seit König Listenreich mich unter seine Fittiche genommen hatte. Doch ich beschwerte mich nicht, denn die Gesellschaft war mir tausendmal lieber als der Klüngel an den oberen Tischen, wo Gäste saßen, die ich nur flüchtig oder überhaupt nicht kannte. Es waren darunter viele Herzöge und der zu Besuch angereiste Adel aus Tilth und Farrow, worunter es natürlich auch Bekannte Gesichter gab. Philia hatte einen annähernd ihrem Rang angemessenen Platz, und Lacey saß - war es zu glauben? - an einem Tisch oberhalb von mir. Auch Bürger aus Burgstadt waren anwesend, zumeist wohlhabende Kaufleute, die besser platziert waren, als ich es gedacht hätte. Der König wurde hereingeführt, gestützt auf den Narren in seiner neuen Festkleidung, dicht gefolgt von Kettricken.
Ihr Aussehen erschreckte mich. Sie trug ein schmuckloses braunes Gewand und hatte sich zum Zeichen der Trauer das Haar abgeschnitten. Es reichte ihr kaum noch bis zur Schulter. Seiner reichen Last beraubt, bot das Haar buchstäblich den Anblick eines samentragenden Löwenzahns. Mit der Länge schien es aber auch die Farbe verloren zu haben, es war genauso fahl wie das des Narren. So sehr war ich da ran gewöhnt, sie mit den schweren goldenen Haarflechten zu sehen, dass mir ihr Kopf jetzt eigenartig klein auf den breiten Schultern vorkam. Die blauen Augen wirkten fremd zwischen den verweinten und geröteten Lidern. Sie machte nicht den Eindruck einer Königin, die ihren Gemahl betrauerte, sondern erschien mir - wie bizarr - wie ein neuer Hofnarr des Königs. Nichts erinnerte mehr an meine Königin, die Kettricken in ihrem Garten, die barfüßige Kriegerin, die mit ihrer Klinge tanzte; da war nur noch eine Frau aus einem fremden Land, die fern ihrer Heimat und allein war. Im Gegensatz dazu war Edel so kostbar gekleidet, als ginge er auf Brautschau, und dabei bewegte er sich mit der trägen Selbstsicherheit einer Raubkatze.
Was ich an jenem Abend erlebte, war ein geschickt aufgebautes und in Szene gesetztes Theaterstück. Da war der alte König Listenreich, gebrechlich und dünn, der über dem Teller einnickte oder sich geistesabwesend und lächelnd ins Leere hinein unterhielt. Da war die Kronprinzessin mit ihrer versteinerten Miene, sie aß nichts und war in ihre Trauer versunken. Unbestrittener Mittelpunkt war Edel, der pflichtbewusste Sohn an der Seite des greisen Vaters. Neben sich hatte er den brandneu herausgeputzten Narren, der seine Worte mit geistreichen Witzeleien würzte, was ihn schlauer erscheinen ließ, als er war. Auf den übrigen Plätzen saßen der Herzog und die Herzogin von Farrow sowie der Herzog und
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