FKK im Streichelzoo - Roman
1
Das Männchen der australischen Breitfuß-Beutelmaus begattet in bis zu zwölf Stunden dauernden Sexorgien unzählige Weibchen. Nach diesem Kopulationsmarathon fällt es einfach um – mausetot.
Mir ist kotzübel vor Angst. Das Hirn ist leer. Die Knie fühlen sich an wie aus Pudding. Das hier muss ein Albtraum sein. Wie sonst ist es zu erklären, dass ich in den Lauf einer Waffe starre, die ein Polizist auf mich richtet? Genauer gesagt: in drei Waffenläufe von drei Polizisten?
Mit zugeschnürter Kehle schaue ich zu, wie die Hände des Sprengstoffexperten vorsichtig in meinen Koffer abtauchen und in geradezu demütigender Sorgfalt dessen brisanten Inhalt ans Tageslicht befördern.
Die Handschellen.
Die angebrochene Magnum-Vorratspackung extrafeuchter Kondome.
Die halb aufgebrauchte 500-ml-Tube Gleitgel der Marke Superflutschi.
Und nicht zu vergessen den schwarzen Mundknebel mit dem roten Beißball voller tiefer – na ja – Bissspuren.
Der Experte hält kurz inne und schaut zu mir auf. Ich bin froh, dass ich durch das Schutzvisier des Helms seine Miene nicht erkennen kann.
Okay. Ganz ruhig, Quentin. Du hast dir nichts zuschuldenkommen lassen. Bleib einfach ganz cool und souverän. Cool und souverän. So wie immer …
»Ähm, also … Das ist jetzt nicht so, wie Sie vielleicht denken«, höre ich mich stammeln. Meine Stimme ist nicht mehr als ein heiseres Krächzen. Ich klinge jämmerlich. Überraschenderweise schenkt denn auch niemand meinen Worten Beachtung. Weder die mich flankierenden Polizisten mit den Waffen im Anschlag noch die Menschenmenge, die dicht gedrängt hinter dem rot-weißen Absperrflatterband steht und die Köpfe reckt.
Es riecht nach Schweiß und Adrenalin, und mich überkommt die dunkle Ahnung, dass ich die Quelle dieser olfaktorischen Zumutung bin.
Gaanz ruhig. Probier es einfach noch mal. Cool und souverän, das ist der Spirit!
»Sie sehen doch, dass da keine, ähm … Bombe drin ist.« Ich zwinge mich zu einem Lächeln und schlage einen unverbindlichen Ton an: »Vielleicht wollen wir es einfach dabei belassen, ja? Ich packe mein Zeug zusammen und bin in zwei Minuten weg. Mein Zug geht ohnehin gleich.«
Es grenzt an blanken Hohn, dass genau in diesem Moment der Sicherheitshinweis durch die Lautsprecher der Bahnhofshalle dröhnt, der die Passagiere dazu auffordert, ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt zu lassen. Erneut spüre ich den Blick des Sprengstoffexperten auf mir. Die schwere Montur, die ihm bis zu den Knien reicht, verleiht ihm die Anmut eines in die Schlacht ziehenden Weltraum-Samurai. Er hebt die massigen Schultern, nimmt den schweren Helm ab und lässt ein unverständliches Grunzen verlautbaren. Seine Stirn ist mit feinen Schweißperlen benetzt. Mit einer flüchtigen Geste gibt er den drei Uniformierten mit den Knarren in der Hand ein Zeichen, woraufhin sie die Waffen sinken lassen und sich von mir und meinem pikanten Kofferinhalt abwenden. Dann winkt er einenKollegen der Bundespolizei heran. Aus den Augenwinkeln sehe ich einen Hünen mit beeindruckendem Schnauzer im Gesicht und einem Schäferhund an der kurzen Leine auf mich zukommen. Als der grimmig dreinschauende Mann einen Blick in meinen Koffer wirft, stößt er ein kurzes Lachen aus, und auch der Hund bellt einmal laut auf. Ein beherzter Ruck an der Leine lässt den Köter jedoch sofort verstummen. Den Schnauzbart leider nicht.
»Ja, brunsverregg noch amol!«, flucht er entsetzt.
Der Weltraum-Samurai hat nun den Anflug eines zaghaften Lächelns auf den Lippen und macht sich erneut über meinen Koffer her. Wenngleich er genau weiß, dass von diesem Trolley keine unmittelbare Gefahr für den Nürnberger Hauptbahnhof und seine Passagiere ausgeht – es sei denn, er sieht davon die heilige fränkische Moral seiner Landsleute bedroht –, ist die Neugier wohl doch zu groß.
Mir bleibt also nichts weiter übrig, als tatenlos und elendig schwitzend mitanzusehen, wie weitere Insignien meiner Schmach ans Tageslicht befördert werden. Ich hoffe, dass das alles schnell an mir vorüberzieht und ich danach auf kürzestem Weg in ein Zeugenschutzprogramm komme.
Der Hundeführer, ein Endvierziger, dessen riesiger Bauch so aussieht, als würde darin eine Bombe auf ihren Einsatz warten, reckt seinen Hals über die Schulter des Kofferwühlers.
»Also, ich möcherd des ned ofassn!«, presst er angewidert hervor, als er dabei zusieht, wie sein Kollege meine schwarzen Lack-Chaps hervorzieht und in die Höhe hält. Er
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