Flachskopf
Jahre alt, Heini der älteste und Nis zwischen beiden. Aus seiner frühesten Jugend konnte er sich am besten entsinnen, daß er damals eine Klapphose trug und manchmal vergaß, die Klappe zuzuknöpfen, daß er oft mit einer schmutzigen Nase herumlief, die seine Mutter dann mit ihrer blauen Schürze putzte und der Vater mit dem Taschentuch oder mit der bloßen Hand, wobei er immer so derb zugriff, daß Flachskopf jedesmal heulen mußte. Damals stotterte er auch, und jetzt sagt Nis noch manchmal, um ihn zu ärgern, »unser F-f-flachskopf«. Heulen war ebenso eine seiner besonderen Eigenschaften gewesen, und wenn man ihn irgendwie brauchte, rief man ebenso treffend: »Wo ist unser Schreihals ?« statt »Wo ist unser Flachskopf?«
Was sich aus den ersten Jahren seinem Gedächtnis am schärfsten eingeprägt hatte, war seine Angst vor der Hölle und den Teufeln. Das kam daher, weil Heini, bloß um Flachskopf Angst einzujagen, ihm solche abscheuliche Dinge erzählte vom »Schwarzen Mann«, der nachts den Menschen den Bauch aufschlitze, einen Haken hineinschlüge und sie so quer durch die Erde in die Hölle zöge. Flachskopf hatte eine solche Angst bekommen, daß er manchmal nachts davon aufwachte und sich den Bauch betastete, um sich zu überzeugen, daß der Teufel bei ihm noch nicht angefangen hatte. Acht Tage lang hat er mit einer Schnur am Arm geschlafen, die er an einem der Bettpfosten befestigte, um den Satan daran zu hindern, ihn mitzuschleifen. Bis eines Nachts Nis, der damals mit ihm zusammenschlief, sich in die Schnur verwickelt hatte und nicht mehr duldete, daß Flachskopf sie noch mit ins Bett brachte. Außer Flachskopf selbst hat nie jemand gewußt, was der eigentliche Zweck dieser Schnur war. Er beruhigte sich dann, indem er nachts den Hemdzipfel von Nis fest in die Faust geklammert hielt; wenn die Teufel ihn dann holen wollten, würde Nis es schon merken und ihn zurückziehen.
Seine Mutter dagegen erzählte ihm immer vom Jesuskind, von Unserer Lieben Frau, von Engeln und braven Kindern und vor allem vom Himmel. Wenn davon die Re de war, saß Flachskopf — damals sagte seine Mutter noch »Lewieke« — mit offenem Mund und aufgerissenen Augen da und lauschte. Immer wieder wollte er, auf der Mutter Schoß sitzend, erzählen hören von: alle Tilge Reisbrei mit silbernen Löffelchen, Honigkuchen, süße Milch mit Zwieback, und dann auf einem Esel aus Schokolade reiten. Diesem himmlischen Esel durfte man einfach so ein Stück Schokolade aus seinem Ohr beißen, das tat ihm nicht weh, und es wuchs sofort wieder nach. Es war zu jener Zeit, daß sie alle eines Nachts durch ein fürchterliches Geschrei von Nis aus dem Schlaf geschreckt wurden, gefolgt von einem noch lauteren Gebrüll Flachskopfs. Als die Mutter die Lampe angezündet und der Vater seinen jüngsten Sprößling auf den Arm genommen hatte, begriffen sie, was los war. Flachskopf hatte Nis tüchtig in den Finger gebissen, und er schrie noch lauter als Nis: »Ich dachte... ich dachte, daß ich in die Ohren von dem Esel aus Schokolade bisse .« Die Mutter und Heini hatten am folgenden Sonntag mit Flachskopf eine Wallfahrt zu Sankt Cornelis auf dem Blauberg unternommen und über ihn beten lassen; seitdem ließen die gefährlichen Träume nach.
Er erinnerte sich auch noch aus jener Zeit, daß sein Vater eines Tages neben dem Herd saß und Holz hackte, um den Kessel mit dem Viehfutter damit zu heizen, und wie ihm plötzlich ein Splitter ins Auge sprang, worauf er einen saftigen Fluch ausstieß. Flachskopf, der in der Ecke mit Holzkohle einen Soldaten auf ein Brettchen malte, war bei diesem unerwarteten Fluchen erschrocken und hatte, den frommen Ratschlägen der Schwestern aus der Klosterschule folgend, geantwortet: »Gelobt sei Jesus Christus !« Das wirkte so aufreizend auf seines Vaters Nerven, daß dieser ihm mit einem zweiten Fluch das Stück Holz an den Kopf warf. Flachskopf hatte, wütend über diese Ungerechtigkeit, Brett und Kohle in die Ecke geworfen, war hinausgelaufen und hatte sich hinter den Giebel gestellt, schreiend, als ob er am Spieß stäke, über die geringe Wirkung seiner frommen Beschwörung und um die Mutter, die im Garten bei der Arbeit war, in Kenntnis zu setzen von dem fürchterlichen Verbrechen, das an ihm begangen wurde. Nachdem er dort eine Viertelstunde geschrieen hatte, ohne daß sich die geringste Hilfe gezeigt hätte, kam sein Vater, der die ganze Geschichte bereits vergessen hatte, mit den Händen in den Hosentaschen um die
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