Flammen Der Nacht -4-
animierst du ein Raubtier dazu, dich zu jagen, und du kannst einem Wolf oder einem Panther nicht davonlaufen. Oder einem Falken davonfliegen. Du musst schlauer sein als sie, nur so kannst du ihnen entwischen.
Sie lauschte angestrengt auf Geräusche, während der Varinski von Baum zu Baum glitt. Wie mochte die Kreatur aussehen, die sie verfolgte? Firebird tippte auf einen Raubvogel oder auf eine große Katze, die geschmeidig durch die Baumkronen setzte.
Das Studentenwohnheim ragte vor ihr auf. In der Hälfte der Fenster brannte Licht. Die Leute waren noch wach und wären gleich da. Sie konnte um Hilfe rufen.
Und was dann?
Sie öffnete ihre Handtasche, angelte das Handy heraus und überlegte, ob sie Douglas anrufen sollte. Er wollte sicher, dass sie ihn in einer solchen Situation anrief, andererseits wäre er bestimmt sauer, weil sie mitten in der Nacht allein unterwegs war. Und wenn sie
das Handy ans Ohr nahm, griff der Verfolger womöglich an.
Wie hatte er sie gefunden? Was wollte er von ihr?
Je näher sie dem Wohnheim kam, desto deutlicher wurden die Schritte. Sie kramte die Schlüssel aus der Tasche, schob die Finger so zwischen die Schlüssel, dass diese einzeln zwischen ihren Fingerknöcheln herausstachen. Sie klappte ihr Handy auf und wählte neuneins… Bevor sie die letzte Nummer eingeben konnte, wurde die Eingangstür aufgerissen. Acht Typen drängten ins Freie, Jacob war bei ihnen. Alle trugen Baseballkappen und Laufschuhe, ihre nackten Körper waren mit Farbe grell bemalt. Sie passierten Firebird mit schamhaft gesenkten Köpfen. Sie winkte kurz und glitt hastig in den Flur, bevor die Tür wieder zufiel.
Dann rannte sie. Stürmte durch den Gang und die Treppen hinauf in ihr Zimmer. Sie machte kein Licht, sondern stahl sich ans Fenster. Ihr Körper an die dunkle Zimmerwand gepresst, spähte sie nach draußen.
Und entdeckte ihren Verfolger auf Anhieb. Versteckt im Geäst einer riesigen Eiche, lag eine große goldfarbene Katze lang ausgestreckt auf einem Ast. Das Mondlicht fiel durch die Zweige und schimmerte auf dem glänzenden Fell. Von ihrem Fenster aus gewahrte sie, wie die dunklen Augen sie beobachteten, der Schweif zuckte kaum merklich, als wäre das Raubtier ärgerlich über den Verlust der Beute.
Was hatte er mit ihr vor? War er einer von den brutalen Varinskis, der ihren Spaß daran hatten, die Tochter von Konstantine Wilder zu verfolgen und zu quälen? Oder planten die Varinskis, sie zu kidnappen und
als Geisel zu nehmen, weil sie Firebirds Familie zerstören wollten?
Sie musste von hier weg. Schleunigst. Und nicht erst nach der offiziellen Abschiedsfeier. Sie musste untertauchen und durfte Douglas auf gar keinen Fall beichten, warum.
Er würde ihr sowieso nicht glauben.
»Oh mein Schatz«, seufzte sie. Wie war sie bloß einmal auf die verrückte Idee gekommen, eine Beziehung mit einem normalen Typen anzufangen? Er würde das mit dem Teufelspakt und den speziellen Talenten ihrer Familie nie verstehen. Wie sollte er auch? Es war absolut normal.
Das Schlimme war, als ihr Freund und Lover war er genauso in Gefahr wie sie.
Aber … sie streichelte über ihren noch nicht einmal ansatzweise vorhandenen Bauch. Sie hatte keine Alternative. Sie würde es versuchen müssen. Das Baby brauchte einen Vater, und Douglas hatte es verdient, die Wahrheit zu erfahren.
Draußen streckte sich die riesige Katze. Erhob sich geschmeidig und sprang von dem Baum.
Jetzt hatte sie einen guten Blick auf das Tier.
Ein Puma. Es war ein Puma.
Sie legte die Stirn in Falten. Ihr Herz setzte sekundenlang aus. Sie blickte zum Bett, wo das große weiche Stofftier lag.
Ein Puma ?
Draußen vor ihrem Fenster begann die Raubkatze sich zu verwandeln. Firebirds Herz raste.
Die Krallen bildeten sich zurück. Das Skelett transformierte
sich, die Hinterläufe wurden länger. Die Pfoten wurden zu Händen, die Schultern breiter, das Fell verschwand bis auf Kopf-, Brust- und Schamhaar.
Die grimmige Raubtierfratze verwandelte sich ebenfalls, in ein Männergesicht. Es war ein vertrautes Gesicht – das Gesicht des Mannes, den sie liebte.
Firebird starrte ihn an. Starrte so intensiv, dass ihr die Augen schmerzten.
Douglas. Douglas war ein Varinski.
Er war nach Brown gekommen, hatte sie herausgepickt, mit ihr geflirtet, sie verführt, sich ihr Vertrauen erschlichen. Mit einem Anflug von Beschämung verbarg die junge Frau ihr Gesicht in den Händen.
Sie hatte ihm erzählt, dass sie aus Washington stamme. Und dass sie drei
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