Flammen Der Nacht -4-
Prolog
Die Geschichte geht weiter …
I n den eisigen Wintern der wilden, weiten ukrainischen Steppen, wenn die Schneestürme toben und die finstere Nacht wie ein ungebetener Gast ausharrt, sitzt meine alte Großmutter an ihren Kohleofen geschmiegt, der wohlige Wärme spendet, und ich kuschle mich in ihre Arme. Wann immer ich sie darum bitte, erzählt sie mir die alten russischen Legenden: von der wunderschönen Näherin Maryushka und wie Kaschei, der Unsterbliche, sie in einen Feuervogel verzauberte, oder von dem Musiker Sadko, der sich mit der Tochter des Meereskönigs vermählte. Bisweilen, wenn es sehr spät wird und der Wind mit seinen frostigen Fingern an die eisbemalten Scheiben der Fenster trommelt, bestürme ich sie, mir eine ganz besondere Geschichte zu erzählen, eine Geschichte, die mich mit Furcht und Faszination erfüllt.
Meistens sträubt sie sich dagegen und schüttelt unwillig den Kopf. Manchmal jedoch lässt sie sich erweichen; dann erzählt sie widerstrebend und mit zitternder Stimme die dunkel geheimnisumwitterte Legende von Konstantine Varinski und seinem Pakt mit dem Teufel.
Es geschah vor über tausend Jahren, und sie erzählt
die Geschichte mal mehr, mal weniger ausgeschmückt, trotzdem bleiben die Fakten immer dieselben …
Konstantine Varinski war groß, breitschultrig, mit Schenkeln wie Baumstämme. Seine Hände flink im Umgang mit dem Dolch, fackelte er nicht lange, einem Widersacher die Kehle aufzuschlitzen, während er brutal eine Frau begattete. Er vagabundierte allein durch die glutheißen Sommer und die eisigen Winter, plünderte die Wehrlosen aus, raubte, vergewaltigte und mordete, bis sein schändlicher Ruf ihm vorauseilte und irgendwann dem Leibhaftigen persönlich zu Ohren kam.
Meine Großmutter hüllt sich fester in die Decke, die sie um ihre Schultern geschlungen hat. Sie trinkt heißen Tee aus einem Glas, und das Entsetzen steht ihr ins Gesicht geschrieben, wenn sie den Erzählfaden wieder aufnimmt.
Der Teufel, verärgert über die unheilvolle Konkurrenz, stieg darauf aus den Tiefen der Hölle auf und stellte den jungen Konstantine Varinski zur Rede, wie er es wagen könne, Satanas herauszufordern.
Konstantine, blutrünstig wie ein Wolf und schlau wie ein Fuchs, bot dem Teufel einen Pakt an: Er und seine Nachkommen wollten Satans willige Diener werden, dafür sollte der Höllenfürst ihnen die Gabe verleihen, sich nach Gutdünken in ein Raubtier verwandeln zu können.
Konstantines mutiger Vorstoß fiel auf fruchtbaren Boden, und Satan blickte tief in die Seele des Varinski. Was er dort sah, verblüffte ihn angenehm: Konstantine war durch und durch böse, ein nützliches Werkzeug, weil hinterhältig und verroht bis ins Mark.
Konstantine wollte aber noch mehr.
Er und seine sämtlichen Nachfahren wollten unbesiegbar bleiben und niemals im Kampf fallen, es sei denn durch einen anderen Dämon. Jeder Varinski wollte ein langes Leben genießen, und – am allerwichtigsten – sie wollten ausschließlich Söhne zeugen. Sie wollten die Geburt jedes neuen Dämons feiern und den Jungen zu einem brutalen Krieger erziehen, würdig, den Namen Varinski zu tragen. Wohin sie auch gingen, sie würden die Dunkelheit bringen. Sie waren die Dunkelheit, die Eminenzen des Grauens.
Um den Pakt zu besiegeln, versprach Konstantine, die heilige Familienikone herzugeben, eine Allegorie mit vier Bildern der Madonna.
Genau wie meine Großmutter war Konstantines Mutter eine brave, gute Frau. Sie weigerte sich vehement, die Ikone herauszurücken. Und presste das kostbare Herzstück ihres Heims beschützend an ihre Brust – woraufhin sie von ihrem Sohn eiskalt und brutal niedergestochen wurde.
Kaum färbte ihr Blut den weißen Schnee rot, zog sie ihren Sohn an sich und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Konstantine, du bist fest entschlossen, als Satans rechte Hand zu regieren, so sei es – bis zu dem Tag, an dem der Eine das Licht der Welt erblicken wird. Die Augen der Babuschka flammten schmerzerfüllt auf. Dieser Nachkomme wird das abgrundtief Böse verkörpern, wie du es dir stets erträumt hast, ein passender Erbe für dein Vermächtnis … und doch sehe ich seinen Fall voraus. Eine Frau wird ihm zum Verhängnis werden, denn an dem Tag, an dem er sich verliebt, wird dieser Teufelspakt zu wanken beginnen. Sie wird
diesen meinen fernen Enkel lieben, und ihre Liebe wird stark sein, stark durch die Kraft der Madonna, und wenn ihr vierter Sohn geboren wird, wird dein dunkler Herr und Meister
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