Flammen im Sand
Schutzanzüge in dieser Kiste
aufbewahrt wurden. Ein guter Ort, um das Geld zu verstecken, denn die
Spinnweben und der Mäusedreck zeigten an, dass diese Anzüge lange nicht benutzt
worden waren und für Wilko Tadsen anscheinend jede Bedeutung verloren hatten.
Tove hob die Anzüge an einer Seite an, um die Plastiktüte so tief wie möglich
darunterzuschieben.
Fietje hielt ihn zurück. »Sollen wir nicht vorher einen kleinen
Tausender â¦? Bei so viel Geld kommtâs doch auf ein paar Scheinchen nicht an.«
Tove sah Mamma Carlotta an, als wollte er sich Fietjes Meinung gern
anschlieÃen, aber die gab ihnen mit einer kategorischen Handbewegung zu
verstehen, dass so etwas nicht infrage kam. Und da beide ihre Angst vor ihr
noch nicht verloren hatten, unternahmen sie keinen Versuch, sie umzustimmen.
Tove seufzte tief auf, als er das Geld in der Kiste versenkte, und Fietje zog
seine Bommelmütze in die Stirn, als könnte er nicht mitansehen, was mit dem
Geld geschah, das für ihn eigentlich eine Art Lebensversicherung hatte sein
sollen.
»Jetzt noch der anonyme Brief«, flüsterte Mamma Carlotta, »und wir
haben alles getan, was getan werden musste. Marikke Tadsen wird ihre gerechte
Strafe bekommen.«
Erik zögerte, ehe er den Finger auf den Klingelknopf
setzte. Von drinnen waren die Geräusche des Fernsehers zu hören, schwaches
Licht drang durchs Wohnzimmerfenster und ein bläuliches Flackern. Auf das
Klingeln folgte eine kurze Stille, dann gab es Geräusche in der Diele. Jemand
fragte: »Wer ist da?«
Erik nannte seinen Namen, kurz darauf wurde geöffnet. Marikke Tadsen
sah die beiden Polizeibeamten erstaunt an. »Moin! Sie müssen noch arbeiten?«
Sie rollte ihnen ins Wohnzimmer voran, griff nach der Fernbedienung
und schaltete den Samstagskrimi ab. »Gibtâs was Neues?«, fragte sie, ehe sie
sich zu ihnen umdrehte.
Erik und Sören blieben stehen, obwohl Marikke zu zwei Sesseln wies.
»Ist Ihr Mann zu sprechen?«
Marikke schüttelte den Kopf. »Er ist bei einem Kunden.«
»Name? Adresse?«
Marikke zuckte mit den Schultern. »Weià ich nicht.«
»Wie lange ist er schon weg? Wann erwarten Sie ihn zurück?«
»Eine Stunde etwa. Ich weià nicht, wann er zurückkommt. Was wollen
Sie überhaupt von ihm?«
Erik setzte sich nun doch, und Sören hockte sich an seine Seite.
»Wussten Sie, dass Ihr Mann ein Verhältnis mit Elske Pedersen hatte?«
In Marikkes Gesicht blieb es ruhig. »Wie kommen Sie darauf?«
»Wussten Sie es?«
Sie nickte zögernd. »Mein Mann hat sexuelle Bedürfnisse, die ich ihm
nicht mehr erfüllen kann.«
»Sie saÃen vor fünf Jahren schon im Rollstuhl?«
»Nächste Woche sind es sieben Jahre.«
Sören mischte sich ein. »Aber ausgerechnet die Frau seines besten
Freundes? Wusste Jannes Pedersen davon?«
»Natürlich nicht.« Jetzt sah sie die beiden sehr aufmerksam an. »Wie
haben Sie es herausgefunden?«
»Durch seine schöne Schrift«, erwiderte Erik. »Wir haben ein Gedicht
in Elskes Hinterlassenschaft gefunden. Von Ihrem Mann geschrieben.«
Sie sah ihn ungläubig an. »Mein Mann machte sich nichts aus
Gedichten.«
»Wenn man verliebt ist, kann sich so was ändern.«
»Er war nicht verliebt. Ich habe Ihnen doch gesagt, es ging nur um
seine sexuellen Bedürfnisse.«
»Hoffmann von Fallersleben«, sagte Erik und beobachtete Marikke
scharf. »In meinem Herzen sollst du leben, sollst haben, was mein Liebstes ist
⦠Kann es sein, dass Ihr Mann Sie verlassen wollte? Zusammen mit der Frau
seines besten Freundes? Heimlich, damit Jannes es erst erfuhr, wenn beide schon
weg waren? Weil Ihr Mann wusste, wie Jannes auf so was reagieren würde?«
Marikke schien ihm nicht mehr zuzuhören. Sie war blass geworden. So
leise sprach sie, dass Erik und Sören sie kaum verstehen konnte. »Das war unser
Gedicht. Er hat es mir zu unserem ersten Jahrestag geschenkt.« In ihren Augen
glomm etwas auf, was Erik nicht zu deuten wusste. Verzweiflung konnte es sein,
aber auch Hass.
»Und was ist mit Geraldine Bertrand?«, fragte Erik. »Ob sie auch
Gedichte von Ihrem Mann geschenkt bekommen hat?«
Marikkes Blässe verlor sich, Röte stieg in ihre Wangen. Ihre Augen,
die kurz vorher leblos gewirkt hatten, funkelten nun. »Die Frauen mögen Wilko«,
sagte sie. »Er
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