Alex Rider 1: Stormbreaker: Alex Riders erster Fall
Grabreden
W enn es morgens um drei klingelt, gibt es immer schlechte Nachrichten.
Alex Rider wachte beim ersten Klingelton auf. Mit geöffneten Augen blieb er einen Moment lang völlig unbeweglich auf dem Rücken liegen. Er hörte, wie eine Schlafzimmertür leise geöffnet wurde, wie die Stufen knarrten, als jemand zur Haustür hinunterging. Es läutete noch einmal. Alex blickte auf den grün glimmenden Radiowecker: 3.02 Uhr. Unten klirrte es leise, als jemand die Sicherheitskette an der Tür abnahm.
Alex rollte sich aus dem Bett und ging zum offen stehenden Fenster. Seine nackten Füße sanken in den weichen Teppichflor. Mondlicht fiel auf seinen Oberkörper. Alex war vierzehn, schon jetzt kräftig und athletisch gebaut. Sein blondes Haar war kurz geschnitten, bis auf zwei dicke Strähnen, die ihm über die Stirn fielen. Seine braunen Augen blickten ernst. Einen Moment lang stand er völlig still am Fenster, halb verborgen im Schatten, und sah hinaus. Ein Polizeiauto stand vor dem Haus. Von seinem Fenster im Obergeschoss konnte Alex die schwarze Kennnummer auf dem Autodach sehen, und er sah auch die Mützen der beiden Polizisten, die unten vor der Haustür standen. DieLampe neben der Haustür ging an und gleichzeitig wurde die Tür geöffnet.
»Mrs Rider?«
»Nein. Ich bin die Haushälterin. Was ist los? Ist etwas passiert?«
»Wohnt hier Mr Ian Rider?«
»Ja.«
»Vielleicht können wir einen Moment hereinkommen?«
»Was ...?«
Aber Alex kannte die Antwort bereits. Er konnte sie an der Körperhaltung der beiden Polizisten ablesen, die verlegen und unglücklich vor dem Haus standen. Und er konnte sie aus dem Ton ihrer Stimmen hören. Grabesstimmen ... so bezeichnete er sie später. Es war der Tonfall, den Menschen anschlagen, wenn sie die Nachricht überbringen müssen, dass jemand gestorben war.
Alex ging zur Schlafzimmertür und zog sie auf. Vom Flur klangen die Stimmen der beiden Polizisten herauf, aber Alex konnte nur einzelne Satzsplitter verstehen.
»... ein Autounfall ... Krankenwagen kam sofort ... Intensivstation ... nichts mehr zu machen ... unser herzliches Beileid ...«
Erst Stunden später, als Alex in der Küche saß und beobachtete, wie sich das graue Morgenlicht langsam in die Straßen und Gassen Londons ergoss, begann er allmählich zu begreifen, was geschehen war.
Sein Onkel Ian Rider war tot. Auf der Fahrt nach Hause war sein Auto in einem Kreisverkehr von einem Lastwagen erfasst worden; er war noch am Unfallort gestorben. DiePolizisten hatten erklärt, er sei ohne Sicherheitsgurt gefahren, sonst hätte er vielleicht mit dem Leben davonkommen können.
Alex dachte über den Mann nach, der sein einziger Verwandter gewesen war, solange seine Erinnerung zurückreichte. Seine leiblichen Eltern hatte Alex nicht gekannt; auch sie waren bei einem Unfall ums Leben gekommen, allerdings bei einem Flugzeugabsturz, nur wenige Wochen nach Alex’ Geburt. Ian Rider, der Bruder von Alex’ Vater, hatte ihn aufgenommen und großgezogen. (Alex durfte niemals »Onkel« zu ihm sagen – Ian Rider hasste das Wort!) Alex hatte fast die gesamten vierzehn Jahre seines Lebens in Ian Riders Reihenhaus in Chelsea, London, gewohnt, das zwischen der King’s Road und der Themse lag. Aber erst jetzt wurde Alex bewusst, wie wenig er über seinen Onkel wusste.
Er hatte bei einer Bank gearbeitet. Die Leute sagten, Alex sähe ihm sehr ähnlich. Ian Rider war ständig auf Reisen – ein ruhiger, etwas reservierter Mann, der guten Wein, klassische Musik und Bücher mochte. Der keine Freundin zu haben schien ... eigentlich überhaupt keine Freunde. Er hatte sich fit gehalten, rauchte nicht und bevorzugte teure Kleidung. Aber das konnte nicht alles gewesen sein. Nicht das Bild eines ganzen Menschenlebens.
»Alles in Ordnung, Alex?« Eine junge Frau kam in die Küche. Sie war Ende zwanzig, hatte üppiges rotes Haar und ein rundliches, jungenhaftes Gesicht. Jack Starbright war Amerikanerin. Vor sieben Jahren war sie als Studentin nach England gekommen und hatte ein Zimmer in RidersHaus bezogen – statt Miete zu zahlen, half sie im Haushalt und betreute den kleinen Alex. Und dann war sie einfach dageblieben und gehörte nun zu Alex’ engsten Freunden. Manchmal fragte er sich, wie Jack wohl richtig heißen mochte – Jackie? Jacqueline? Eigentlich passte keiner der möglichen Namen richtig zu ihr. Er hatte sie einmal danach gefragt, aber sie hatte ihm ihren richtigen Namen nicht verraten wollen.
Alex nickte. Er hatte
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