Fliedernächte: Roman (German Edition)
durch die Berge erst nach Middletown und dann geradewegs nach Boonsboro führte.
Noch bevor er ausstieg, entdeckte er Hope, die in einem ihrer weich schwingenden Kleider irgendwelchen Gästen an einem der Tische im Hof Eistee servierte. Sobald sie ihn sah, kam sie zu ihm herüber.
Obwohl sie inzwischen einen recht ausgeglichenen Eindruck machte, schaute er sie besorgt an. »Wie geht’s dir?«
»Gut. Kann ich kurz mit dir reden?«
»Kein Problem.«
»Lass uns rüber zur Baustelle gehen, damit uns niemand hört. Hier laufen zu viele Leute herum.«
Ohne seine Antwort abzuwarten, ging sie los.
Aha, dachte er, sie war offensichtlich nach wie vor ein bisschen sauer, weil er nicht ihre Hand getätschelt und ihre Tränen getrocknet hatte. Und vielleicht war ja seine Entschuldigung, der Blumenstrauß, bislang nicht abgegeben worden.
Er öffnete die Tür und vergaß, warum er hier war. Statt auf Hope schaute er auf die Baustelle, um sich zu vergewissern, ob ohne ihn wirklich ordentlich gearbeitet worden war. Am liebsten wäre er nach oben gegangen, doch ziemlich brüsk forderte sie seine Aufmerksamkeit ein.
»Wärst du vielleicht so nett, mir zuzuhören, Ryder?«
»Sicher. Worum geht’s?«
»Du hattest nicht das Recht, Jonathan hinter meinem Rücken zur Rede zu stellen. Und es stand dir auch nicht zu, mir diese Sache aus der Hand zu nehmen oder überhaupt etwas zu tun, ohne mich vorher zu fragen. Weil das nämlich meine Sache ist. Dachtest du, ich würde nicht mitbekommen, was du treibst oder wo du warst?«
»Es lag nicht in meiner Absicht, dich zu hintergehen. Bei deinem Ex, dem Arschloch, war ich sowieso nicht. Ich hab mich gleich an den Boss gewandt, seinen Vater.«
»Du hast …« Hope wurde erst bleich und anschließend zornrot. »Wie konntest du das tun? Und warum? Das ist schließlich ganz allein meine Angelegenheit.«
Ryder schaute sie erstaunt an. »Nein. Es ist auch meine Angelegenheit. Bildest du dir etwa allen Ernstes ein, ich würde tatenlos mit ansehen, wie eine blonde Giftspritze hier auftaucht und dir eine Ohrfeige verpasst?«
»Vielleicht hat sie mir eine Ohrfeige verpasst. Schön! Aber ist sie nicht gestraft genug, weil sie Jonathan am Hals hat? Wenn ich so recht darüber nachdenke, wäre sie eigentlich viel mehr zu bedauern als ich.«
»Okay. Trotzdem lass ich ihr nicht durchgehen, dass sie dich schlägt und zum Weinen bringt. Schluss, aus.«
»Ich hab nicht geweint, weil sie mir wehgetan hat. Nein, dieser Zwischenfall war mir einfach unglaublich peinlich. So peinlich, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann. Und dann bekommt auch noch deine Mutter diese unglaubliche Szene mit. Ganz zu schweigen von deinen Leuten, all diesen Männern. Inzwischen weiß bestimmt die ganze Stadt, was heute Morgen hier geschehen ist.«
»Na und?«
Himmel, er war hundemüde, und sein Schädel brummte, und sie machte ihm bloß Vorwürfe, weil er getan hatte, was man in einem solchen Fall für sein Mädchen eben tat. »So laufen diese Dinge nun einmal, und außerdem hast nicht du dich lächerlich gemacht, sondern sie sich. Und fang um Gottes willen nicht wieder zu weinen an.«
»Keine Angst.« Doch die erste Träne brach sich bereits Bahn. »Obwohl ich das Recht habe zu weinen, wenn mir danach ist. Menschen weinen eben manchmal. Damit musst du leben.«
»Hier.« Er zog einen Hammer aus dem Werkzeuggürtel, der auf einem Tisch lag. »Schlag mir damit auf den Kopf. Damit kann ich besser leben.«
»Ach, hör auf. Hör einfach auf!« Sie kehrte ihm den Rücken zu und raufte sich das Haar. »Das spielt alles keine Rolle. Darum geht es nicht! Du hast mir die Sache aus der Hand genommen, bist ohne ein Wort zu sagen ins Wickham gefahren und hast Jonathans Vater diese schmutzige Geschichte haarklein berichtet.«
»Das stimmt. Ich hab ihm die Sache dargelegt, und er wird dafür sorgen, dass sein Sohn und dessen Frau dich zukünftig in Ruhe lassen.«
»Du hast mit ihm geredet, aber nicht mit mir. Hattest keine fünf Minuten Zeit, mit mir ein paar Worte zu wechseln. Fährst lieber gleich nach Washington, um Baxter Wickham alles brühwarm zu erzählen. Ich verlange nicht, dass du mich tröstend in die Arme nimmst und meine Tränen trocknest, Ryder, doch ich erwarte, dass du mit mir sprichst und meine Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse in deine Überlegungen mit einbeziehst. Und erst wenn du das tust, werde ich wieder mit dir reden.«
»Verdammt, warte«, sagte er, als sie zur Tür marschierte.
Sie blieb kurz
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