Fliedernächte: Roman (German Edition)
Klemmbrett, um sich ein paar Notizen machen zu können, falls ihm bei seinem Kontrollgang etwas auffiel, und begann mit seiner Runde. Dachte dabei sehnsüchtig an frischen Eistee und Hope.
Schluss damit, wies er sich zurecht. Ohnehin würde er auf keinen Fall dermaßen schmutzig und übel riechend irgendwohin gehen, schon gar nicht zu ihr. Wenngleich das bedeutete, den Kirschkuchen heute nicht abholen zu können. Morgen schmeckte er bestimmt noch genauso gut, tröstete er sich.
Er wollte gerade gehen, als ein Pick-up auf den Parkplatz bog. Willy B. und seine Mutter.
Nach wie vor hatte er so seine Schwierigkeiten mit den beiden und verdrängte den Gedanken lieber, dass Averys Vater und seine Mutter etwas miteinander hatten. Sowohl Ryder als auch seine Brüder versuchten das weitgehend zu ignorieren, und taten so, als sei Willy weiterhin bloß ein alter Freund der Familie und ein supernetter Kerl, der mit seinem Vater seit der Schulzeit durch dick und dünn gegangen war.
Justine Montgomery sprang aus dem Wagen wie ein junges Mädchen. Sie trug eine dieser Hosen, die bis kurz über die Knöchel reichten, und ein T-Shirt mit Glitzersteinchen am Ausschnitt. Außerdem war sie dezent geschminkt und sah für eine Mutter von drei erwachsenen Söhnen unglaublich aus.
»Komm mir nicht zu nahe.« Er hob abwehrend die Hand. »Ich bin total verdreckt.«
»Du hast schon schlimmer ausgesehen.« Trotzdem beschränkte sie sich darauf, ihrem Ältesten eine Kusshand zuzuwerfen.
»Hallo, Willy, wie geht’s?«
»Gut, gut.« Mit seinen fast zwei Metern überragte er den jungen Mann um beinahe einen halben Kopf. Er war ein hünenhafter, rothaariger Mann mit einem großen Herzen, einer wilden Frisur und einem struppigen Bart. Jetzt steckte er die Daumen in die Taschen seiner Jeans und schaute sich anerkennend um. »Das Dach habt ihr sauber abgekriegt.«
»Sauber stimmt nicht ganz, wenn du mich anschaust. Ihr wollt vermutlich sehen, wie weit wir drinnen sind.«
»Ja bitte. Ich kann später selbst abschließen, falls du lieber gleich losfahren willst.«
»Schon gut.«
Willy B. musste sich ducken, als er hinter Ryder das Gebäude betrat, drehte dann den Kopf nach links und rechts. »Viel zu sehen ist nicht gerade, Justine. Deinen Reden nach hab ich mir das anders vorgestellt.«
Sie lachte fröhlich. »Streng deine Fantasie mal an. Es wird wunderschön. Mit etwas Geringerem würden sich meine Jungs bestimmt nicht zufriedengeben.«
»Du lässt uns keine andere Wahl, sagen wir’s mal so. Morgen früh kommt Material für das neue Dach, und wir fangen gleich an.«
Anschließend erklärten er und Justine Willy B., wo was hinkäme: hier die Rezeption, daneben ein kleiner Raum für Yogakurse, dahinten die Umkleidekabinen und dort der Wellnessbereich. Vor allem Justine tat so, als sei das Studio nahezu fertig.
»Ich gehe davon aus, dass du Mitglied bei uns wirst.«
»Also bitte, Justine.«
»Komm mir bloß nicht so.« Sie drohte ihm scherzhaft mit dem Zeigefinger, um gleich darauf begütigend seinen Arm zu tätscheln. »Wir gewähren dir natürlich einen Rabatt, weil du der Vater meiner zukünftigen Schwiegertochter bist.«
Ein breites Grinsen überzog sein Gesicht. »Das ist wirklich schön, nicht wahr? Meine Tochter und dein Sohn. Tommy hätte sicher einen Freudentanz vollführt.«
Genau das war es, dachte Ryder. Genau das machte Willy B. aus: dass er seinen toten Freund niemals vergaß.
»O ja, ganz gewiss«, bestätigte Justine ein wenig wehmütig. »Allerdings würde er mich für verrückt halten, dass ich diesen alten Kasten umbauen lasse. Trotzdem bin ich überzeugt, dass das Studio einzigartig für unsere Gegend wird.«
»Deine Mutter hat was von Spinden und Schließfächern gesagt«, wandte Willy sich wieder Ryder zu. »Ich kenne jemanden, der so was herstellt.«
»Owen macht sich bereits schlau – vielleicht kannst du ihm den Namen geben.«
»Wird gemacht, wir wollen sowieso rüber zu Avery.«
»Wenn ihr euch beeilt, trefft ihr Owen dort noch an.«
»Umso besser.« Justine nickte. »Dann kann er uns ins MacT’s begleiten.«
»Komm doch kurz mit«, lud Willy ihn ein. »Ich spendiere dir ein Bier und eine Pizza, wenn du willst.«
»Nein danke, nicht so verschwitzt und schmutzig, wie ich bin.« Er breitete die Arme aus. »Sonst kommt am Ende noch das Gesundheitsamt und macht den Laden dicht.«
Seine Mutter lächelte ihn ein wenig verschlagen an. »Wie ich höre, baggerst du seit Kurzem unsere Managerin
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