Flitterwochen
Augen, dunkle Haare. Eine echte Sahneschnitte. Also beschloss ich, meine Ohren auf Durchzug zu stellen und mich auf seine äußeren Vorzüge zu konzentrieren. Ich nippte huldvoll an meinem Vino und ließ einen sehr langatmigen Vortrag über Firmenkäufe, Mergers and Acquisitions, Hedgefonds und was nicht alles über mich ergehen. Nach dem zweiten Glas Rotwein fing ich an, ketzerische Zwischenbemerkungen zu machen und mich als Sozialistin zu outen. Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, brachte aber ein bisschen Farbe ins Gespräch. Nach dem dritten Glas wechselten wir das Thema und sprachen über die größten Liebesfilme des amerikanischen Kinos der dreißiger und vierziger Jahre, und nach dem vierten Glas knutschten wir im Schummerlicht des kleinen Flurs vor Sveas Gästetoilette. Danach sahen wir uns fast jeden Tag. Ich lernte seine reichen Freunde kennen und mochte sie nicht, und er fand meine ebenfalls doof. Nach einem Jahr zogen wir trotzdem zusammen. Tja, und nun fliegen wir übermorgen unserem gemeinsamen Leben als Herr und Frau Weltenstein entgegen. Wer hätte das gedacht?
Apropos: Wer hätte gedacht, dass es in der Bank nun doch so lange dauert? Der erste Kunde war schnell fertig, aber die alte Dame vor mir scheint etwas ganz Kompliziertes zu wollen. Der Mann hinter dem Schalter schaut jedenfalls schon ganz angestrengt. Ich wiederum sehe kurz auf die Uhr in der Schalterhalle – tatsächlich stehe ich nun schon zwanzig Minuten hier rum. Mensch, Omi, gib Gas! Die Dame hinter mir scheint dasselbe zu denken und die Wartezeit durch besonders offensives Schlangestehen verkürzen zu wollen, jedenfalls kann ich ihren Atem in meinem Nacken spüren.
Weitere fünf Minuten vergehen. Hoffentlich habe ich nicht schon ein Knöllchen – mein Parkplatz ist wirklich nicht so doll. Oder noch schlimmer: Ein besonders gnadenloser Parküberwacher ruft den Abschleppdienst. Das könnte ich heute wirklich nicht gebrauchen. Dann müsste ich bis ganz an den Stadtrand fahren und mein Autochen für 150 Tacken auslösen. Und dann müsste Alex die restlichen Sachen allein besorgen, weil so eine Aktion natürlich Stunden dauert, ich erst nach Ladenschluss fertig werde und morgen Karfreitag ist. Und dann würde er mit Sicherheit die Hälfte vergessen, zum Beispiel meinen Damenrasierer, und ich müsste im Urlaub seinen benutzen, und sofort hätten wir Streit, weil seiner nämlich von meinen Beinhärchen angeblich stumpf wird. Und das ist nun wirklich kein Thema, über das ich mich in meinen Flitterwochen streiten möchte. Also muss das hier endlich mal schneller gehen!
Ein kurzer Blick an meiner Hinterfrau vorbei durch die Glastür: Der Micra steht noch genau dort, wo ich ihn abgestellt habe. In meiner Handtasche beginnt es zu klingeln. Alex. Klar, der wird wahrscheinlich auch langsam nervös. Von wegen selbst packen müssen und Damenrasierer. Ich lasse es klingeln. Bestimmt komme ich gleich dran. Die Omi gestikuliert mittlerweile wild. Ein bisschen schwerhörig scheint sie zu sein, jedenfalls redet sie sehr laut auf den Menschen hinter dem Kassenschalter ein, selbst aus zwei Metern Diskretionsabstand kann man sie noch ausgezeichnet verstehen.
»Junger Mann, ich muss Ihnen gar nichts glauben. Ich kenne Sie ja überhaupt nicht!«
Murmel, murmel – die Antwort des Bankangestellten kann ich höchstens erahnen, er steht schließlich hinter einer Glasscheibe. Ich glaube aber, es geht ein bisschen in Richtung »Regen Sie sich bitte nicht auf.«
»Jetzt beweisen Sie mir erst einmal, dass Sie mein Geld wirklich noch dahaben. Vorher bewege ich mich hier nicht vom Fleck.«
Murmel.
»Papperlapapp! Ihr steckt doch alle unter einer Decke – meine Söhne, die ganze Familie und die Bank. Ich weiß genau, dass ihr mich alle um mein mühsam Erspartes bringen wollt.«
O nein. Eine Grundsatzdiskussion mit einer offenbar leicht verwirrten Rentnerin. Das kann ja ewig dauern. Ich trete drei Schritte vor und spreche sie von der Seite an.
»Äh, ich will wirklich nicht unhöflich sein, aber wäre es denkbar, dass Sie mich kurz vorlassen?«
Keine Reaktion. Nur der Schaltermensch rollt mit den Augen.
»Frau Strelow, ich kann ja mal eben nachsehen, wie viel Bargeld ich Ihnen jetzt spontan schon mal mitgeben kann. Würde Sie das etwas beruhigen?«
»Wieso mitgeben
können
– das ist mein Geld! Ich will sofort sehen, wo es ist, Sie Verbrecher!«
Ich räuspere mich. »Also, wenn der Herr jetzt Ihr Geld suchen geht, vielleicht darf ich ihn
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