Flitterwochen
eigenen Klingelton, der nur für ihn reserviert ist. Mit einem Rückruf muss er sich aber noch gedulden, sonst komme ich hier nie los, um meine Liste abzuarbeiten.
Ich werfe einen kritischen Blick auf meinen Tisch samt dem darauf befindlichen Postkörbchen – liegt hier noch irgendetwas rum, das ich ganz dringend mitnehmen und erledigen müsste? Nein, sieht alles gut aus. Sobald ich also Medikamente, Kleid und Geld abgeholt und noch ein paar Kleinigkeiten eingekauft habe, muss ich morgen nur noch packen und Samstagmorgen heil zum Flughafen kommen. Dann beginnt mein neues Leben, mein Leben als Christine Weltenstein.
2 . Kapitel
N a endlich! Ich habe schon mindestens fünfmal bei dir angerufen! Warum gehst du denn nie an dein Handy? Du bist echt schwerer zu erreichen als der Papst.«
Alexander klingt genervt. Er mag es gar nicht, wenn man ihn warten lässt. Bedenkt man allerdings, dass ich in den zwei Jahren, die wir nun zusammen sind, schon mehr Zeit damit verbracht habe, auf ihn zu warten, als ihn tatsächlich zu sehen, geschieht ihm das nur recht.
»Hallo, Schatz! Dein Vergleich hinkt schon deshalb, weil ich gar nicht katholisch bin. Ich hab das Klingeln einfach nicht gehört.«
»Kein Wunder, deine Handtasche ist ein echtes Massengrab. Wahrscheinlich liegt dein Telefon mal wieder unter mehreren Schichten von Make-up, Zeitschriften und Schülerheften«, mault Alexander.
»Als würdest du dich immer gleich melden, wenn ich anrufe.«
»Ja, aber wenn
ich
nicht rangehe, stecke ich meistens in einem Termin. Und meine Sekretärin erreichst du immer.«
»Ja, so ist das eben, wenn man richtig wichtig ist.« Ich muss kichern. »Aber gut zu wissen, dass ich ebenso gut alles mit Frau Weigand besprechen kann. Sollte ich also das nächste Mal den dringenden Wunsch nach animalischem Sex verspüren und dich nicht erreichen, treffe ich mich einfach mit der Weigand.«
»Haha, sehr lustig! Aber wann kommst du denn nun nach Hause? Ich hab mir heute extra den Nachmittag freigenommen, damit wir in Ruhe letzte Reisevorbereitungen treffen können. Ich könnte dich auch irgendwo einsammeln, wenn es dann schneller geht.«
»Bloß nicht! Ich habe mein Brautkleid dabei – das darfst du auf keinen Fall vor der Trauung sehen! Außerdem bin ich mit dem Auto unterwegs. Also, ich schätze mal … höchstens eine Stunde, dann bin ich da.«
Alex seufzt noch ein letztes Mal, dann legt er auf. Ich stehe inzwischen vor der Drehtür meiner Bank. Meinen Nissan Micra habe ich ziemlich kriminell halb auf dem Bürgersteig direkt vor dem Eingang geparkt. Erstaunlicherweise habe ich tatsächlich schon fast alles erledigt, was es noch zu tun gab. Nur noch kurz das Geld abholen und in den Drogeriemarkt, dann bin ich fertig. Hoffentlich geht das hier flott.
In der Schalterhalle angekommen, stelle ich mich brav an der kurzen Schlange vor der Kasse an. Nur zwei Leute vor mir, länger als zehn Minuten wird es wohl nicht dauern. Ich atme tief durch und beginne, mich zu entspannen. Bald schon sitze ich im Flieger auf die Seychellen, neben mir der Mann, den ich liebe. Dort werde ich ihn heiraten, bin endlich seine Frau und verbringe meine Flitterwochen im Paradies.
Schon komisch, wie das Leben so läuft. Als ich Alex auf der Party von Svea kennengelernt habe, fand ich ihn total unsympathisch. Typische Heuschrecke. Also, so eine mit Geld, nicht mit sechs Beinen. Ich weiß gar nicht mehr, wer ihn mitgebracht hatte, jedenfalls stand er zwischen all den Lehrern, die im Wesentlichen Lehrerinnen waren, wie ein sperriges Möbelstück, das versehentlich an die falsche Adresse geliefert worden war. Wahrscheinlich hatte eins der anderen Mädels versucht, die Männerquote etwas nach oben zu treiben. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich aber zu mir hingezogen und wich mir nicht mehr von der Seite, seit ich ihn gebeten hatte, mir auf dem Weg zum Buffet doch mal Platz zu machen. Richtig gewundert hat mich das nicht – schon zu meinen eigenen Schulzeiten war ich leider diejenige, die Sozialwaisen magisch anzog. Wahrscheinlich, weil ich es nie übers Herz bringe, Leute allein in der Ecke stehen zu lassen. Und, zack, kleben sie an mir, und ich werde sie nicht mehr los. Andererseits, Alexander war auf der Party zwar eindeutig der Außenseiter – auf dieser Veranstaltung, die optisch dem Gründungsparteitag der Grünen sehr nahkam, trug sonst niemand Sakko und Krawatte –, er war aber auch der einzig attraktive Mann weit und breit. Groß und sportlich, blaue
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