Flitterwochen
überfallen. Am liebsten würde ich heulen!
Um Oma Strelows Gemütsverfassung scheint es hingegen deutlich besser bestellt zu sein. Sie sitzt fröhlich grinsend neben mir, und wenn sie nicht gerade ein »Links, ach, nein, wohl doch rechts« von sich gibt, kichert sie und reibt sich die Hände. So auch jetzt wieder. »Heinzi, bald sind wir wieder daheim. Dann mache ich es genau so, wie du es dir gewünscht hast. Versprochen! In die alte Heimat, da bringe ich dich, mein Schatz!« Sie schweigt, grinst wieder in sich hinein und scheint auf die Antwort irgendeines imaginären Heinzis zu warten. Wie kann jemand, der offenbar so durch den Wind ist, eine aufgeweckte, toughe Frau wie mich zu einem vorgetäuschten Bankraub zwingen? Oder bin ich gar nicht aufgeweckt und tough, sondern fast so tüdelig wie Oma Strelow selbst? Oder noch tüdeliger? Mir wird schlecht, ich fahre an den Fahrbahnrand und halte an.
Oma Strelow schnaubt empört. »Nicht anhalten! Wir sind noch lange nicht da!«
Ich schüttle den Kopf. »Ehrlich, Frau Strelow, so geht das nicht. Ich will jetzt erst mal wissen, wo ich hier reingeraten bin. Ich meine, ich war eben leicht panisch und bin einfach losgefahren, aber je länger ich darüber nachdenke, desto schlechter erscheint mir diese Aktion.«
Oma seufzt. »Das mag ja sein, Kindchen, aber jetzt hängen Sie mit drin.«
»In gar nichts hänge ich mit drin. Ich glaube, ich fahre jetzt mit Ihnen zur nächsten Polizeidienststelle, und dann klären wir das ganze Missverständnis mal hübsch auf. Ich wollte keine Bank überfallen, und ich
habe
keine Bank überfallen. Ich bin nur aus Gründen, die mir selbst schleierhaft sind, an eine überdrehte ältere Dame geraten, nämlich an Sie, und die hat
nur so getan,
als habe es einen Bankraub gegeben. Und
genau das
werden wir den Damen und Herren von der Polizei jetzt mal rasch zu Protokoll geben. Ich habe heute nämlich noch was Besseres zu tun.«
Jetzt kichert die alte Strelow wieder. »Was auch immer Sie zu tun haben, Sie sollten es verschieben. Denn Sie und ich, wir fahren jetzt nach Pommern.«
Okay. Sie ist nicht tüdelig. Sie ist komplett verrückt. Ich räuspere mich. »Frau Strelow, ich fahre ganz sicher nicht mit Ihnen nach Pommern. Im Gegenteil, ich fliege übermorgen auf die Seychellen, wo ich an Ostern heiraten werde. Und zwar am Strand von La Digue den Mann meiner Träume.«
»Aber bevor Sie am Strand von La Wieheißtdasnoch stehen«, sagt Oma dynamisch, »fahren Sie erst mal mit mir an den Strand von Kolberg und helfen mir dabei, die Asche
meines
Traummannes in die Ostsee zu streuen.«
Bitte?!
»Sie sind ja komplett verrückt! Los, steigen Sie aus! Dann fahre ich jetzt eben allein zur Polizei und kläre die ganze Angelegenheit auf.«
Obwohl ich für meine Verhältnisse bestimmt sehr energisch klang – selbst Direktor Schubert wäre mit dieser Ansprache wahrscheinlich zufrieden gewesen –, rührt sich Frau Strelow nicht von der Stelle. Stattdessen guckt sie grimmig und umklammert mit ihren kleinen, zarten Händen fest die Plastiktüte, in die sie eben in der Bank einen ziemlich großen Haufen Hunderteuroscheine gestopft hat. Und zwar mit nur einer dieser kleinen Hände. Die andere hielt sie sehr dramatisch hoch in die Luft gereckt, während sie die ganze Zeit laut jammerte:
»Tun Sie mir nichts, tun Sie mir nichts!«
»Hallo? Haben Sie nicht gehört? Raus jetzt!«
»Wieso? Sie wollen doch zur Polizei. Und da will ich auch hin, denn ich bin schließlich gerade von Ihnen als Geisel genommen worden und will eine entsprechende Aussage machen. Bankräuber wie Sie gehören schließlich hinter Gitter!«
»Was, bitte, soll das? Sie wissen doch ganz genau, dass ich keine Bank überfallen habe.«
»Ja,
ich
weiß das. Aber da bin ich auch die Einzige. Und somit bin ich momentan auch die Einzige, die Ihnen helfen kann. Denn wenn ich nicht sage, wie es wirklich war, werden Sie eine Menge Schwierigkeiten bekommen. Ich weiß gar nicht … wie viele Jahre Gefängnis bekommt man wohl für bewaffneten Banküberfall?«
Mir wird abwechselnd heiß und kalt. »Was, zum Teufel, wollen Sie eigentlich von mir?«
»Das habe ich doch schon gesagt. Ich will, dass Sie mit mir nach Pommern fahren. Ich will die Asche meines lieben Mannes Heinzi am Strand von Kolberg ins Meer streuen. Das habe ich ihm auf dem Sterbebett versprochen.«
»Ja, dann machen Sie das doch. Steigen Sie mit Heinzi, oder dem, was von ihm geblieben ist, in den Zug und fahren Sie in dieses
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