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Florian der Geisterseher

Florian der Geisterseher

Titel: Florian der Geisterseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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größte Selbstverständlichkeit, lächelte ihn an, liebevoll und fern zugleich. Dann fuhr sie fort: „Wir kennen uns wenig. Das heißt du mich. Die Verwandtschaft will nichts mit mir zu tun haben. Begreiflicherweise. Leute, die andere durchschauen, sind nicht beliebt. Schon gar nicht innerhalb der Familie. Aber wir beide werden uns gut verstehen. Und wenn ich ab und zu etwas sage, was ich eigentlich nicht wissen kann, dann wird dir das viel weniger unangenehm sein, als wenn dein Vater Auto fährt. Besonders rückwärts.“
    Dann hat das Lexikon doch recht! dachte Florian. So ist das also, wenn eine Hellseherin einen anzapft!
    Unangenehm oder gar unheimlich war es ihm überhaupt nicht. Im Gegenteil. Wenn Tante Thekla ihm so zulächelte wie jetzt, hatte sie überhaupt nichts Übersinnliches. Dann war sie eine ganz normale Tante. Eine von der nettesten Sorte allerdings.
    Florian mußte grinsen. „Was soll ich dir noch erzählen? Du weißt ja sowieso alles.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Da überschätzt du mich, Flori . Ich weiß nur das, was dich beschäftigt, wenn ich mich auf dich konzentriere. Darüber reden wir noch ausführlicher. Ein andermal. Denn du willst ja, wie ich weiß, alles sehr genau wissen!“
    Es tat wohl, verstanden zu werden. Florian wurde übermütig: „Ich kann auch hellsehen“, sagte er.
    Da lächelte die Tante. „Die Anlagen dazu hat jeder. Er weiß sie nur nicht zu nützen. Und was hast du hellgesehen?“
    „Daß ich jetzt wieder gehen muß, weil du noch zu tun hast!“
    „Du machst mir ernsthaft Konkurrenz“, antwortete sie, und die grünen Augen strahlten ihn an. „Genauso ist es. Heute geht’s bis zehn Uhr abends. Aber morgen nehme ich mir Zeit für dich. Herein!“ rief sie plötzlich laut. Dabei hatte es gar nicht geklopft. Die Tür wurde geöffnet. August führte einen Kunden herein. Florian nickte Tante Thekla zu und ging hinaus.
    „Ach, da warst du!“ Augusts Stimme klang überhaupt nicht erstaunt. Er trat an das Wandschränkchen, holte eine Flasche heraus und nahm einen Schluck. „Ich brauch das!“ entschuldigte er sich. „Diese vielen Schicksale jeden Tag! Und was die Leute alles erzählen! Das ist nüchtern gar nicht zu verkraften!“ Noch einmal setzte er die Flasche an.
    Florian nutzte den Augenblick. Er schlich die Treppe hinauf; die Steiltreppe nahm er im Laufschritt, hechtete auf das Bett, verschränkte die Arme hinter dem Kopf, schloß die Augen und hatte das Gefühl zu schweben.
    Mensch, ist das aufregend! Zu sich geholt hat sie mich. Einfach so, wie man ein Modellflugzeug fernsteuert. Und weiß alles und ist trotzdem nicht böse. Und meine echte Tante! Wie die auf einen eingeht! Wen interessiert denn sonst, was einen wirklich beschäftigt? Nicht einmal Jens. Und der ist mein bester Freund.

Wenn die Zeit; aufgehoben ist

    „Na, du Schlafmütze?“
    Als Florian die Augen öffnete, stand Agathe vor seinem Bett. Es dauerte eine Weile, bis er wußte, wo er sich befand.
    „Du hast ungefähr sechzehn Stunden geschlafen“, fuhr sie fort, „es ist jetzt zehn Uhr.“
    Florian setzte sich auf. „Mensch, ich bin ja noch angezogen!“ Agathe lachte. „Gestern abend wollte ich dich zum Essen holen. Da bist du wie ein Mehlsack auf dem Bett gelegen. Na, dann hab ich dir wenigstens die Schuhe ausgezogen. Geh mal unter die Dusche! Die mittlere Tür ist das Bad. Dann kommst du runter in die Küche zum Frühstück.“
    Sie ging aus dem Zimmer, die Tür quietschte. Florian wälzte sich aus dem hohen Bett und trat ans Fenster. Die Sonne schien, genau von vorn. Drunten saßen Gäste unter den Pilzen; auf dem Parkplatz stand noch immer der Rolls-Royce.
    Da muß ich mal August fragen, wem der gehört! nahm er sich vor und ging ins Bad. Auch die Tür quietschte. Es war keine Wanne drin, nur eine Dusche, hinter einem Vorhang, ein Waschbecken und ein Klo. Auf der Abstellplatte standen viele Flaschen, Dosen und Tiegel — alles von Agathe.
    Die Dusche war prima, mit Mumm dahinter. Jetzt wurde er endgültig wach. Die Seife in der Schale, wohl auch von Agathe, roch toll, und er benutzte sie reichlich.
    Nach zwanzig Stemmübungen, zwanzig Kniebeugen und Rumpfkreisen für die Muskulatur zog er sich an und stieg die steile Treppe hinunter. Da hörte er vom Flur der ersten Etage eine erregte Frauenstimme.
    „Zahlen Sie die Rechnung, Robert, und bringen Sie das Gepäck zum Wagen! Ich will niemanden mehr sehen. Ich werde Anzeige erstatten. Diese Frau ist bestenfalls eine Kartenlegerin

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