Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Die Einzigen, die dabei noch rücksichtsloser vorgingen als die Menschen, waren die Ratten, die
sie in den Tahis , ihren riesigen Auslegerbooten, unfreiwillig mitgebracht hatten. Die Gesellschaft, die die Ankömmlinge bildeten, war sehr kriegerisch; die verschiedenen Stämme, die ihre Namen von den einzelnen Kanus der Auswandererflotte herleiteten, überzogen einander mit Gewalttaten und Blutrache. Die Starken trieben die Schwachen vor sich her, über die gesamte Nordinsel, auf die Südinsel und von dort weiter nach Stewart Island und auf die Chathams.
Auch die Begegnung mit den ersten Europäern war kriegerisch. Als Abel Tasman 1642 zu landen versuchte, töteten die Maori vier seiner Matrosen, die Holländer flohen und hinterließen nichts als den europäischen Namen: Neuseeland. Ein spanisches Schiff verschwand schon vorher mit Mann und Maus vollständig aus der Geschichte, nur blutige Legenden überlebten, und noch 1772 wurde der französische Entdecker Marion Du Fresne getötet und gegessen, weil er unwissentlich ein Tabu gebrochen hatte. Nur den Wal- und Robbenjägern gestatteten die Maori später den gelegentlichen, saisonalen, Anfang des 19. Jahrhunderts dann sogar ganzjährigen Aufenthalt an ihren Küsten, um von ihnen begehrtes Handelsgut, Tran, Kleidung und – Waffen einzutauschen.
Lange Zeit fragten sich die Europäer, wie die Maori ohne Seekarten, Sextanten und europäische Hochseeschiffe Neuseeland überhaupt gefunden hatten, und favorisierten wieder einmal die schwachsinnige Idee, dass es sich bei ihnen um einen der verlorenen Stämme Israels handeln müsse, dem Jehova persönlich dieses unzugängliche Exil zugewiesen habe. Es ist jedoch bezeichnend für das Selbstbewusstsein der Ureinwohner, dass sie sich diesen ursprünglich ja diskriminierenden Gedanken sofort zu eigen machten. Einige nannten sich selbst tatsächlich Tiu , Juden, reklamierten eine besonders enge Verbindung zu Gott dem Herrn für sich und brachten eigene Propheten hervor, die im Glauben des einfachen Volkes gleichberechtigt neben Moses, Jeremia, Ezechiel und so weiter standen.
So hielten es die Maori mit allem, was die Pakeha , die Europäer, brachten; eigneten sich Kenntnisse und Fertigkeiten in Landbau, Handel und Handwerk an, die ihnen nützlich waren, fügten sie ein in ihre Weltvorstellung, sahen sie aber nicht als großzügiges Geschenk der weißen Herren an, sondern als ein Recht, das ihnen zustand. All das hieß: Diese Menschen ordneten sich ganz einfach nicht unter, betrachteten sich nicht als Schüler und Untertanen einer überlegenen Rasse, sondern bezeichneten die weißen Siedler, die sie in ihr Land ließen, im Gegenteil als »unsere Weißen«. Einzelne Stämme schrieben sogar an den englischen König und baten um mehr Weiße – ziemlich ungewöhnliche Dokumente der britischen Kolonialgeschichte.
Die folgenreichste Übernahme europäischer Technologie bestand jedoch in der Einführung der doppelläufigen Muskete. Jahrhundertelang hatten die Stämme einander bekriegt, ohne dass das pro Jahr mehr als zwei oder drei Dutzend Menschenleben gekostet hätte. Die Muskete, die die Krieger der Nordinsel sehr bald meisterlich zu handhaben wussten, änderte das und brachte die Maori in einem fast vierzigjährigen Bürgerkrieg an den Rand des Untergangs. Ganze Landstriche entvölkerten sich und wurden von lachenden Dritten, den Pakeha, also den weißen Siedlern, besetzt.
Die »Musketenkriege« endeten 1840 und führten dazu, dass nur wenige Stämme sich den immer größeren Einwanderungswellen der Pakeha wirksam entgegenstellen konnten oder wollten. Paradoxerweise machten sie deren Widerstand aber auch hocheffektiv: Zum ersten Mal standen die Briten Eingeborenen gegenüber, die genauso gut bewaffnet waren und schießen konnten wie sie selbst. Und selbst als die Zahl der Pakeha Anfang der 1860er-Jahre die der Maori erstmals überstieg, half das den Weißen nur wenig, denn in einem entscheidenden militärischen Punkt waren die Eingeborenen ihnen weit überlegen: in ihren Verteidigungsanlagen.
Das Pa , das befestigte Dorf oder Lager der Maori, war mit
seinen Grabensystemen, gestaffelten Holzpalisaden, Unterständen, Schießscharten so geschickt angelegt, dass es an Widerstandskraft vielleicht erst von den Schützengräben an der Westfront des Ersten Weltkriegs erreicht oder übertroffen wurde. Mit den Angriffswaffen, sogar der Artillerie des 19. Jahrhunderts, war gegen ein solches Bollwerk wenig auszurichten. Zwanzig
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