Fluch des Wolfes: Alpha & Omega 3 - Roman (German Edition)
als ich«, erklärte er. » Er war ein guter Junge und versuchte immer, mir den alten Mann vom Hals zu halten. Hat regelmäßig Prügel für mich eingesteckt.« Er blinzelte Tränen weg, und als es nicht funktionierte, wischte er sich kurz mit der Hand über die Augen.
Vielleicht waren die Tränen ja echt. Charles allerdings hielt sie für zu perfekt. Es waren die einzelnen Tränen eines starken Mannes, kein echtes Weinen, das man als Schwäche hätte auslegen können. Les Heuter hatte mehr als zwei Jahrzehnte seinen wahren Charakter verborgen; es war nicht unwahrscheinlich, dass er auch vor der Jury nur eine Rolle spielte.
» Als Benedict elf wurde, durchlief er eine gewalttätige Phase. Ungefähr zwei Monate lang war er wie verrückt. Versuchte, meinen Onkel zu erstechen, hat mich verprügelt, und…« Ein verschämter Blick auf den Boden, ein leichtes Erröten. » Er benahm sich wie ein Hirsch oder ein Elch, der in die Brunft kommt. Mein Onkel versuchte, es aus ihm herauszuprügeln. Setzte ihn unter Drogen, aber nichts hat funktioniert. Also rief der alte Mann eine berühmte Hexe. Sie hat uns gezeigt, was Benedict wirklich war, was er instinktiv versteckt haben musste. Er sah aus wie ein normaler Junge– ich nehme an, das Feenvolk kann das, kann aussehen wie jeder andere–, aber er war ein Monster. Er hatte dieses Geweih wie ein Hirsch und gespaltene Hufe. Und er war größer, als jeder andere Junge seines Alters, damals schon fast gute ein Meter achtzig. Meine Tante war mit sechzehn von einem Fremden vergewaltigt worden. Das war dass erste Mal, das wir verstanden, dass der Täter ein Monster gewesen war.«
Heuters Anwalt ließ zu, dass das Gemurmel im Gerichtssaal anschwoll und wieder verebbte, bevor er die nächste Frage stellte: » Was hat Ihr Onkel getan?«
» Er zahlte der Hexe einen Riesenbatzen Geld, und sie hat ihm eine Möglichkeit gezeigt, Benedicts Brunft unter Kontrolle zu halten. Sie gab ihm ein Amulett, das er tragen sollte. Erklärte ihm, dass er die Symbole in ein oder zwei Tiere schnitzen sollte, ungefähr einen Monat, bevor Benedict in die Brunft kam, weil das dann diese Phase des Wahnsinns unterdrücken würde. Sie ging davon aus, dass wir Tiere opfern würden, aber…«, hier verzog Les Heuter angewidert das Gesicht , » der alte Mann stellte schnell fest, dass es mit Menschen besser funktionierte. Aber jetzt wusste die Hexe von uns, und wir mussten sie loswerden. Mein Onkel brachte sie um und stellte ihre Leiche im Vorgarten ihrer Verwandten aus.«
Es war eine meisterhafte Vorstellung, und Heuter schaffte es, sein Alter Ego auch während eines harten Kreuzverhörs aufrecht zu erhalten. Es gelang ihm, das Monster vollkommen zu verbergen, das fast zwei Jahrzehnte dabei geholfen hatte, Leute zu vergewaltigen, zu foltern und zu ermorden.
Sein Vater war im Zeugenstand fast genauso brillant. Als seine Frau gestorben war, hatte er seinen einzigen Sohn der Pflege seines Bruders übergeben, weil er zu sehr von seinem öffentlichen Amt beansprucht wurde, zu sehr von Trauer überwältigt war. Er hatte gedacht, es wäre besser für seinen Sohn, bei einem Verwandten aufzuwachsen, statt nur von bezahlten Nannys betreut zu werden. Er hatte beschlossen, so informierte er die Geschworenen, sein Amt als Senator ruhen zu lassen.
» Es ist zu wenig, zu spät«, erklärte er ihnen voller Reue, die sehr wirkungsvoll war, weil sie scheinbar von Herzen kam. » Aber ich kann kein Amt behalten, das meinen Sohn so viel gekostet hat.«
Und immer wieder schaffte es Heuters Team von aalglatten Anwälten, die Geschworenen und jeden im Gerichtssaal daran zu erinnern, dass sie überwiegend Angehörige des Feenvolkes und Werwölfe getötet hatten, dass Les Heuter geglaubt hatte, er würde die Menschen beschützen.
Als Heuter erzählte, dass sein Onkel die Werwölfe als furchterregende Monster dargestellt hatte, präsentierten seine Anwälte ein Bild des Pädophilen, der in Minnesota von Werwölfen getötet worden war. Sie achteten sorgfältig darauf, zu erwähnen, dass der Mann pädophil gewesen war; sie betonten, dass die Vollzugsbehörden in Minnesota davon überzeugt waren, dass die Schuldigen angemessen bestraft worden waren; sie wiesen sehr eindringlich darauf hin, dass es sich hierbei nur um die Art von Beispiel handelte, die Travis Heuter seinem Neffen ständig vor Augen geführt hatte.
Doch Charles war sich sicher, dass niemand in der Jury auch nur ein Wort von dem hörte, was die Anwälte der Verteidigung
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