Flucht aus der Zukunft
erinnerte. Er blätterte in einem Stoß von Zetteln. Leon Spanner, Quellens zweiter Chef, saß ihm gegenüber. Auch er hatte den Specknacken über Papiere gebeugt. Als Quellen eintrat, griff Koll mit einer nervösen Geste an die Wand und schaltete den Luftstrom für drei Personen ein.
»Sie haben reichlich lange gebraucht«, sagte Koll, ohne aufzusehen.
Quellen sah ihn finster an. Koll hatte graue Haare, ein graues Gesicht und eine graue Seele. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich mußte mich umziehen. Ich hatte meinen freien Tag.«
»Egal, was wir unternehmen, es ändert doch nichts«, knurrte Spanner, als sei niemand hereingekommen und als hätte niemand etwas gesagt. »Es ist nun mal geschehen, und wir können es nicht rückgängig machen. Verstehen Sie das? Am liebsten würde ich alles kurz und klein schlagen.«
»Setzen Sie sich, Quellen«, sagte Koll nebenbei. Er wandte sich an Spanner, einen großen, bulligen Mann mit zerfurchter Stirn und groben Gesichtszügen. »Ich dachte, wir hätten das alles schon einmal besprochen«, sagte Koll. »Wenn wir uns einmischen, gerät alles durcheinander. Bei einer Spanne von fünfhundert Jahren verschieben wir den ganzen Aufbau. Soviel steht fest.«
Quellen atmete insgeheim auf. Jedenfalls sorgten sie sich nicht um sein illegales Versteck in Afrika.
Es klang eher, als beschäftigten sie sich mit den Zeitreisenden. Gut. Jetzt, da seine Blicke keine Angst mehr verrieten, konnte er seine beiden Vorgesetzten mit größerer Aufmerksamkeit beobachten. Koll und Spanner diskutierten offenbar schon seit einer ganzen Weile. Koll war der intelligentere. Er hatte einen beweglichen Geist und eine nervöse, flattrige Energie. Aber Spanner hatte mehr Macht. Es hieß, daß seine Verbindungen bis zu den höchsten Stellen reichten.
»Gut, Koll«, knurrte Spanner. »Ich gebe sogar zu, daß es die Vergangenheit durchschütteln wird. Soviel gebe ich zu.«
»Nun, das ist schon etwas«, meinte der kleine Mann.
»Unterbrechen Sie mich nicht. Ich denke immer noch, daß wir der Sache ein Ende bereiten sollen. Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen, aber wir können es in diesem Jahr einstellen. Wir müssen es sogar.«
Koll funkelte Spanner verächtlich an. Quellen konnte sehen, daß Koll sich nur seinetwegen beherrschte.
»Weshalb, Spanner, weshalb?« fragte Koll mit einiger Beherrschung. »Wenn wir den Dingen ihren Lauf lassen, hört alles von selbst auf. Viertausend von ihnen gingen 86, neuntausend 87 und fünfzigtausend 88. Und wenn wir die Zahlen vom vergangenen Jahr bekommen, werden sie noch höher sein. Sehen Sie – hier heißt es, daß über eine Million Zeitreisende in den ersten achtzig Jahren ankamen und daß danach die Zahlen noch anstiegen. Denken Sie an die Bevölkerung, die wir verlieren! Es ist wundervoll. Wir können es uns einfach nicht leisten, diese Leute hierzulassen, wenn wir die Chance haben, sie loszuwerden. Und die Geschichte sagt, daß wir sie losgeworden sind.«
»Die Geschichte sagt auch, daß die Zeitreisen nach 2491 aufhörten. Und das bedeutet, daß wir sie im nächsten Jahr erwischten.« Spanner lächelte. »Ich meine, daß wir sie im nächsten Jahr erwischen werden. Es ist so vorgeschrieben. Die Vergangenheit ist ein geschlossenes Buch.«
»Wirklich?« Koll lachte bellend. »Und wenn wir die Lösung nicht finden? Wenn die Zeitreisenden weiter in die Vergangenheit gehen?«
»Sie taten es nicht. Das wissen wir. Alle Menschen, die die Vergangenheit erreichten, kamen aus den Jahren 2486 bis 2491. Das ist aufgezeichnet«, erklärte Spanner hartnäckig.
»Aufzeichnungen kann man fälschen.«
»Die Hohe Regierung will, daß diese Reisen aufhören. Weshalb streiten wir, Koll? Wenn Sie der Geschichte trotzen wollen, ist das Ihre Sache. Aber der Regierung? Das dürfen wir nicht.«
»Aber Millionen von Proleten, die aus dem Weg geräumt wären ...«
Spanner knurrte nur und krampfte die Hand um die Notizen, die er vor sich liegen hatte. Quellen ließ die Blicke von einem zum anderen wandern. Er kam sich wie ein Eindringling vor.
»Schön«, sagte Spanner langsam. »Ich gebe zu, daß es praktisch ist, all diese Proleten loszuwerden. Obwohl es so scheint, als hätten wir diese Freude nicht mehr lange. Sie sagen, wir dürfen uns nicht einmischen, weil sonst die Vergangenheit gefälscht wird. Ich bin der gegenteiligen Meinung. Aber lassen wir das. Da Sie so sicher zu sein scheinen, möchte ich darüber nicht mit Ihnen diskutieren. Dann behaupten Sie, daß
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